Myanmar auf dem Weg zur Demokratie begleiten und unterstützen
Die hannoversche Bundestagstagsabgeordnete und Vorsitzende des Gesprächskreises Asien der SPD-Bundestagsfraktion Edelgard Bulmahn hat zu den heutigen Beratungen des Deutschen Bundestages zur Lage in Myanmar die folgende Rede zu Protokoll gegeben:
Myanmar hat in den vergangen 1 ½ Jahren unter Präsident Thein Sein beachtliche Reformschritte eingeleitet. Nach 50 Jahren Militärdiktatur und weitgehender internationaler Isolation ist Myanmar dabei, in die internationale Völkergemeinschaft zurückzukehren.
Ein großer Teil der politischen Gefangenen wurde freigelassen, die politische Betätigung von Parteien wie der Nationalen Liga für Demokratie wieder erlaubt. Wir haben die ersten, weitgehend freien Wahlen erlebt. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi darf wieder öffentlich auftreten, wurde ins Parlament gewählt und führt die Opposition an. Mit den ethnischen Minderheiten wurden Verhandlungen zur Überwindung von Diskriminierung und über die Beilegung der bewaffneten Auseinandersetzungen eingeleitet. Die Beschränkungen der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung wurden gelockert. Die politische Liberalisierung wurde durch Reformen des Wirtschaftssektors ergänzt. Private wirtschaftliche Betätigung wurde wieder erlaubt, die Privatisierung der staatlichen Betriebe eingeleitet, ausländische Investitionen wieder zugelassen. Das Land hat sich gegenüber ausländischen Touristen und Hilfsorganisationen wieder geöffnet.
Zweifellos, dies alles waren wichtige Reformschritte, Schritte und Maßnahmen, die viele von uns vor wenigen Monaten kaum für möglich gehalten hätten. Doch noch immer sind Menschenrechtsverstöße wie Zwangsarbeit, Zwangsumsiedlung, Folter, Vergewaltigungen oder die Rekrutierung von Kindersoldaten zu verzeichnen. Noch immer sitzen Hunderte politische Gefangene hinter Gittern. Noch immer beherrschen ethnische Konflikte ganze Regionen und werden auf blutige Art und Weise ausgetragen. Noch immer verschlingt der Militärapparat den größten Teil des Staatshaushaltes. Noch immer verfügen die Militärs über eine Sperrminorität im Parlament. Noch immer ist Korruption an der Tagesordnung. Noch immer nimmt die kriminelle Schattenwirtschaft mit Drogen- und Waffenhandel, dem illegalen Export von Edelsteinen oder exotischen Tieren einen großen Raum ein. Und keine Frage, es gibt im Land insbesondere im Militärapparat einflussreiche Gegner des neuen Kurses, die nicht bereit sind, auf ihre politischen wie wirtschaftlichen Privilegien zu verzichten.
Wir, die EU und Deutschland, sollten deshalb alles daran setzen, den eingeleiteten Reformprozess zum Durchbruch zu verhelfen. Es gilt einerseits die Einhaltung der Menschenrechte einzufordern, andererseits aber auch das Land nicht wieder in die Isolation zu treiben. Wir sollten deshalb die politischen Kontakte und Beziehungen mit Myanmar auf Regierungs- und Parlamentsebene weiter ausbauen und verstärken. Wir sollten unseren Beitrag für den Aufbau und die Entwicklung einer funktionierenden Zivilgesellschaft leisten. Myanmar braucht Hilfe und Unterstützung bei dem Aufbau einer leistungsfähigen Zivilverwaltung. Es hat keine Erfahrungen mit der Etablierung und Durchsetzung rechtsstaatlicher Gesetzgebung und Verfahren. Es braucht Expertinnen und Experten, die das Land beraten, die nötigen Fachkräfte ausbilden und unterstützen.
Der Dreh- und Angelpunkt aller Bemühungen um eine Demokratisierung des Landes ist die Einleitung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Nur wenn sich die desolate wirtschaftliche Situation der Bevölkerung wahrnehmbar bessert, wird die Etablierung einer stabilen Demokratie gelingen. Myanmar zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Noch immer arbeiten mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Weitgehend als Subsistenzwirtschaft mit unzureichenden Mitteln betrieben, ist sie nicht in der Lage, das Land ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Es fehlt an Dünger, leistungsfähigem Saatgut, Maschinen und know-how. Unter- und Mangelernährung sind weitverbreitet. Entwicklungshemmend sind auch die Besitzverhältnisse. Das Land gehört dem Staat, nicht den den Boden bebauenden Bauern und Bäuerinnen. Und schließlich ist ein Großteil der Landbevölkerung bei illegalen Geldverleihern hochverschuldet. Wir sollten deshalb das Land wieder in die staatliche Entwicklungszusammenarbeit einbeziehen und zu einer nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums beitragen. Diktatur, Isolation und Misswirtschaft haben eine desaströse Infrastruktur hinterlassen, die zugleich die bittere Armut des Landes in erschreckender Art und Weise verdeutlicht. Nur etwa ein Viertel der Bevölkerung hat Zugang zu Elektrizität, sanitäre Anlagen sind Mangelware und nur jede fünfte Straße ist für die Nutzung bei schlechtem Wetter gebaut.
Myanmar braucht dringend Investitionen, Investitionen in die Infrastruktur, in die Landwirtschaft, Investitionen im völlig daniederliegenden verarbeitenden Sektor, aber auch in Bildung und Ausbildung. Mit seinem Ressourcenreichtum, mit seinen großen Erdgasvorräten, Hölzern, Kupfer, Edelsteinen und anderen Rohstoffen sowie seinen Wasserkraftreserven verfügt es über ein enormes wirtschaftliches Potential. Die Einnahmen aus diesen Rohstoffvorkommen könnten eine wertvolle Basis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes sein. Tatsächlich sind die beträchtlichen Einnahmen aus dem Export in den vergangenen Jahrzehnten jedoch in die Ausrüstung und den Unterhalt der größten Armee Südostasiens gesteckt worden, trugen zur Entwicklung von Prestigeprojekten wie den Aufbau der neuen Hauptstadt bei oder flossen in die Taschen von Oligarchen und militärischer Führungselite.
Deshalb wird es entscheidend darauf ankommen, dass die Einnahmen aus den Rohstoffexporten künftig für den Aufbau des Landes verwandt werden. Es gilt deshalb darauf zu drängen, eine möglichst große Transparenz über die Verwendung dieser Einnahmen zu schaffen. Die Bundesregierung sollte sich daher gegenüber Myanmar nachdrücklich dafür einsetzen, dass das Land sich an internationalen Transparenzstrukturen, wie z.B. der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) beteiligt und gleichzeitig Initiativen für eine nachhaltige Nutzung der Rohstoffeinnahmen für das Gemeinwohl entwickelt. Die Einrichtung eines „Zukunftsfonds“ wie u.a. in Ghana praktiziert, ist hier beispielhaft.
Trotz neuer gesetzlicher Regelungen wie dem Verbot der Zwangsarbeit oder einem neuen Gewerkschaftsgesetz gibt es in Myanmar noch immer eine Vielzahl von Arbeitnehmerrechtsverletzungen. EU und Bundesregierung sollten deshalb auf die weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gewerkschaften drängen und Myanmar zur Umsetzung der ILO-Konvention, zur Durchsetzung des Verbots der Zwangsarbeit und zur Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen anhalten und das Land hierbei tatkräftig unterstützen. Hierzu zählt auch eine finanzielle Unterstützung des Ausbaus des Büros der ILO in Myanmar.
Noch investieren deutsche und europäische Unternehmen sehr verhalten in Myanmar. Hier gilt es, mehr Rechtssicherheit für die Investitionen zu schaffen. Investoren, die sich langfristig engagieren wollen, müssen sicher sein, dass diese nicht nur befristet zulässig sind und dass die erzeugten Produkte auch exportiert respektive importiert werden dürfen. Mit anderen Worten, die derzeitige Aussetzung von Sanktionen für ein Jahr hilft hier nicht weiter. Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir eine Doppelstrategie von Unterstützung und Einforderung von Reformen wählen, oder ob wir die Durchsetzung eines Mindestmaßes zur Vorbedingung für die vollständige Aufhebung der Sanktionen machen wollen.
Bei alledem sollten wir nicht außer Acht lassen, dass die Zukunft des Staates Myanmar keinesfalls gesichert ist. Bisher ist es nicht gelungen, die ethnischen Konflikte dauerhaft beizulegen. Die Aktionen der Militärs mit der Unterdrückung von Minderheitenrechten, Zwangsumsiedlungen militärischer Gewalt haben erheblich zum offenen Ausbruch der Konflikte beigetragen. In Teilen Myanmars sind es inzwischen bewaffnete Verbände regionaler Machthaber, die die Macht ausüben und nicht die Zentralregierung. Auch in diesem Zusammenhang sollten wir unsere Unterstützung anbieten und unsere Erfahrungen mit ziviler Konfliktbearbeitung und Mediation einbringen. Eine Instabilisierung Myanmars oder gar seine Entstaatlichung hätte schließlich aufgrund seiner strategischen Lage gravierende Auswirkungen auf den gesamten südostasiatischen Raum.
Für die weitere Gestaltung unserer Politik gegenüber Myanmar liegen dem Plenum mittlerweile neben dem von meiner Fraktion eingebrachten Antrag zwei weitere Anträge vor. Bei genauerer Betrachtung gibt es meines Erachtens einen hohen Grad an Gemeinsamkeit. Es würde die Position der deutschen Politik gegenüber Myanmar und unser Eintreten für Demokratie und Menschenrechte sicherlich stärken, wenn es uns gelänge, in den weiteren Beratungen ein gemeinsam getragenes Votum zu erreichen. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass wir dies erreichen können.