Nach einer emotionalen und an eindringlichen Appellen reichen Debatte über die Zukunft und das Wesen der Europäischen Union stimmte der Bundestag am Freitag, 17. Juli 2015, dafür, der Bundesregierung ein Verhandlungsmandat für ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu erteilen.
Ich möchte Ihnen hier erläutern, warum ich für Verhandlungen über das Hilfspaket gestimmt habe.


Erklärung von Edelgard Bulmahn: Zustimmung zu Verhandlungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket

17. Juli 2015

Edelgard Bulmahn

Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

Bundesministerin a.D.

Mitglied im Auswärtigen Ausschuss

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Sehr geehrte Herren und Damen,

nach einer emotionalen und an eindringlichen Appellen reichen Debatte über die Zukunft und das Wesen der Europäischen Union stimmte der Bundestag am Freitag, 17. Juli 2015, dafür, der Bundesregierung ein Verhandlungsmandat für ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu erteilen.

Ich möchte Ihnen hier erläutern, warum ich für Verhandlungen über das Hilfspaket gestimmt habe.

Die griechische Regierung hat am 8. Juli einen Antrag auf ein dreijähriges Hilfsprogramm beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gestellt, nachdem sie sich zuvor geweigert hatte, die Bedingungen der europäischen Partner für die Verlängerung des seit 2012 laufenden Hilfsprogramms zu akzeptieren. Nach äußerst schwierigen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der 19 Mitgliedsländer der Eurozone am 12./13. Juli auf einen Kompromiss verständigt. Die Euroländer stimmen einem dritten Hilfspaket in einem Umfang von 86 Milliarden Euro zu, wenn Griechenland der Durchführung von einer Reihe von Reformen zustimmt. Das griechische Parlament hat diesen Kompromiss am 15. Juli mit großer Mehrheit gebilligt (229 der 300 Abgeordneten stimmten dafür) und bereits vier konkrete Gesetzesänderungen beschlossen, u.a. erste Elemente einer Mehrwertsteuerreform und einer Rentenreform.

Der aktuelle Vorschlag für ein drittes Anpassungsprogramm unterscheidet sich hinsichtlich der Programmdauer, des Programmvolumens und der angekündigten Möglichkeit für weitere Schuldenerleichterungen maßgeblich von der Verlängerung des zweiten Anpassungsprogramms. Er stellt damit eine wichtige Möglichkeit dar, Griechenland mit Hilfe seiner europäischen Partner auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen.

Der Euro-Gipfel hat klare Bedingungen formuliert für das zweistufige Verfahren, das nun zu einem neuen Hilfsprogramm für Griechenland führen kann. Der erste Schritt ist der Beschluss, Griechenland grundsätzlich Stabilitätshilfe des ESM zu gewähren und in den Verhandlungen über die Ausgestaltung der vereinbarten Reformschritte wie auch der Umsetzung des dritten Hilfspakets einzusteigen. Diesem ersten Schritt hat der Bundestag am 17. Juli zugestimmt. Die Vorbedingung hierfür war, dass das griechische Parlament den Ergebnissen des Euro-Gipfels in Gänze zustimmt und die ersten vier Gesetzesänderungen beschließt.

In einem zweiten Schritt müssen nun die Details des neuen Hilfsprogramms konkret ausgehandelt werden. Diese werden dann in einer Absichtserklärung über ein wirtschaftliches Anpassungsprogramm und einer Finanzhilfevereinbarung festgeschrieben. Beide Dokumente müssen dann erneut vom Deutschen Bundestag gebilligt werden, bevor sie auf europäischer Ebene beschlossen werden können.

Die Zustimmung zu einem weiteren Programm ist kein leichter Schritt angesichts der Milliardenbeträge, die hier erneut in Form von Krediten bereitgestellt werden müssen. Aber würden wir diesen Schritt jetzt nicht gehen, wären die Kredite, die in den letzten Jahren gegeben wurden, nicht mehr abgesichert. Von daher gebieten es nicht nur die politische Vernunft und die europäische Solidarität, der Gipfel-Einigung eine Chance zu geben, sondern auch das wirtschaftliche Eigeninteresse Deutschlands. Wenn Griechenland durch eine konsequente Umsetzung der vorgeschlagenen Reformen auf einen Wachstumskurs einschwenkt und das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen kann, kann es auch seine Schulden eines Tages zurückzahlen. Ein Programm, das die Zahlungsfähigkeit Griechenlands sichert und die Basis für eine wirtschaftliche Erholung legt, ist für alle Beteiligten der bessere Weg. Wenn Europa sich hier als handlungsunfähig gezeigt hätte, würde dies einen beträchtlichen politischen Schaden für ganz Europa bedeuten und darüber hinaus wäre ein „failed state Griechenland“ in der Mitte Europas ein großes politisches und wirtschaftliches Problem.

Mit freundlichen Grüßen

Edelgard Bulmahn