Der Bundestag debattierte heute in Berlin die deutsche Rüstungsexportpolitik. Dabei kritisierte die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn die Aufweichung der restriktiven Genehmigungspraxis durch die amtierende schwarz-gelbe Bundesregierung scharf. "Waffen sind keine x-beliebigen Wirtschaftsgüter und dennoch hat sich Deutschland nach den USA und Russland unter dieser Bundesregierung zur führenden Exportnation bei Kriegswaffen entwicklt", so Bulmahn.

Der Text der Rede im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bundesregierung stellt sich gerne als entschiedene Kämpferin für die Menschenrechte dar, deren Einhaltung sie ohne Rücksicht auf wirtschaftliche oder sonstige Interessen anmahnt und einfordert Eine Politik, die auch meine Fraktion uneingeschränkt unterstützt. Ich muss aber ein „Aber“ oder ein „Wenn“ einfügen. Wir würden diese Politik uneingeschränkt unterstützen, wenn nicht die Bundesregierung immer dann, wenn es um die Interessen der deutschen Waffenlobby geht, offenkundig andere Prioritäten setzten würde.

Deutschland hat sich unter dieser Bundesregierung zur führenden Exportnation bei Kriegswaffen entwickelt. Nur die USA und Russland exportieren noch mehr Kriegsgerät. Man mag das für einen Ausweis deutscher Wettbewerbsfähigkeit halten, die wir jedenfalls gilt das für meine Fraktion sicherlich für sehr wichtig halten. Aber Waffen sind keine x-beliebigen Wirtschaftsgüter.

Ganz heimlich hat sich die Bundesregierung von den im Jahr 2000 unter Rot-Grün verankerten politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verabschiedet. Nach diesen Richtlinien sollten Ausfuhrgenehmigungen für den Export in Staaten außerhalb der NATO und der EU restriktiv und nur im Einzelfall erteilt werden. Das besagen die Richtlinien. Es gibt drei wesentliche Kriterien für die Gewährung bzw. die Versagung einer Exportgenehmigung. Das erste Kriterium ist die strikte Beachtung der Menschenrechte. Jetzt frage ich Sie, Kollegen von der Koalition: Ist die strikte Beachtung von Menschenrechten vereinbar mit Waffenexporten nach Saudi Arabien oder nach Pakistan?

Das zweite Kriterium ist die Beurteilung, ob ein Export im Empfängerland eine nachhaltige Entwicklung be- oder verhindert. Wenn eine nachhaltige Entwicklung be- oder verhindert wird, dann sollte keine Exportgenehmigung erteilt werden. Ist diesem Kriterium eigentlich bei der Prüfung genüge getan, wenn wir jetzt beispielsweise Waffen nach Ägypten liefern oder wenn wir sie nach Algerien liefern werden?

Das dritte Kriterium lautet: Der Export sollte zum Friedenserhalt und zur Konfliktvermeidung beitragen. Das sind die Kriterien, die angelegt und geprüft werden müssen. Die Bundesregierung betont zwar immer wieder, dass sie an diesen politischen Grundsätzen festhalten würde das ist auch eben wieder geschehen , aber wenn es um den Export von möglicherweise mehreren Hundert Panzern nach Saudi Arabien geht, wird doch schon einmal ein Auge zugedrückt.

Die Bundeskanzlerin hat inzwischen auch öffentlich von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik Abstand genommen. In einer denkwürdigen Rede auf der Tagung des zivilen und militärischen Spitzenpersonals der Bundeswehr am 2. Oktober 2012 in Strausberg sprach sie sich, wie die Nachrichtenagentur AFP zu melden wusste, für Rüstungsexporte zur Friedenssicherung aus.

Man höre: Rüstungsexporte zur Friedenssicherung. Und das in die Länder, die ich eben genannt habe. Rüstungsexporte nach Saudi Arabien. Ich finde, man muss schon zwischen einer aufgeklärten Politik und einer kaum noch hinnehmbaren Naivität unterscheiden.

Die sogenannten Schwellenländer, so die Bundeskanzlerin weiter, müssten vor dem Hintergrund ihrer gewachsenen wirtschaftspolitischen Bedeutung mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen, wozu wir, NATO und EU, also auch Deutschland, sie durch den Export von Rüstungsgütern und Ausbildungshilfe ertüchtigen müssten. Ausbildungshilfe ja, wirtschaftliche Entwicklung ja, aber Rüstungsexporte nein. Das ist jedenfalls unsere Position.

Das, so finde ich, ist das eigentlich Gravierende: Mit dieser Position der Bundeskanzlerin kündigt diese Bundesregierung einen Grundkonsens der gesamten Nachkriegszeit auf, einen Grundkonsens, der von den 50er-Jahren bis heute gegolten hat. Dieser Grundkonsens bestand darin, dass Waffenexporte nur mit äußerster Zurückhaltung zugelassen werden sollten.

Das ist eine Weichenstellung, die meines Erachtens nicht akzeptabel ist. Die Bundeskanzlerin behauptet zwar, die Beachtung der Menschenrechte bleibe das entscheidende Kriterium und die Waffenexporte sollten nur an vertrauenswürdige Partner gehen. Aber was waren und sind denn vertrauenswürdige Partner? War das Schahregime zum Beispiel ein solcher Partner? Wurde nicht auch der Irak einst vom Westen als Bollwerk gegen die iranischen Ajatollahs hochgerüstet? Gegen welche Feinde sollen denn eigentlich die Panzer in Saudi Arabien eingesetzt werden? Doch wohl kaum gegen den Iran in den Fluten des Persischen Golfs.

Ein Blick in die Nachkriegsgeschichte zeigt in aller Deutlichkeit: Die Lieferung von Waffen in Konfliktregionen, an autokratische Herrscher oder auch in instabile Staaten hat sich sicherheitspolitisch nie ausgezahlt, weil nur allzu oft die Freunde von gestern zu den Gegnern von heute geworden sind und weil nur allzu oft die Waffen nicht zur eigenen Verteidigung, sondern zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung eingesetzt wurden. Aber ungetrübt von all diesen Erfahrungen fördert die Bundesregierung den Rüstungsexport inzwischen sogar aktiv in diese Länder. Sie fördert ihn nicht nur durch die Vorführung der Möglichkeiten des Leopard II in Saudi Arabien; als die Kanzlerin in Angola weilte, vergaß sie nicht, darauf hinzuweisen, dass man angesichts der zahlreichen unzureichend geschützten Ölplattformen gerne bei der Ertüchtigung der Marine, etwa durch die Lieferung von Patrouillenbooten, helfen wolle.

Das ist meines Erachtens eine falsche Politik. Wer Waffen liefert, fördert regionales Wettrüsten und riskiert letztendlich, dass sie, über einen längeren Zeitraum betrachtet, dem Falschen in die Hände fallen. Wir tun deshalb gut daran, Waffenexporte in Staaten, die nicht Mitglied der NATO oder der EU sind, äußerst restriktiv zu behandeln. Der jetzt von der Bundesregierung eingeschlagene Weg hat mit Friedenssicherung nichts, aber auch gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Er ist risikoreich, konfliktschürend und friedensgefährdend. Deshalb sollten wir dem Einhalt gebieten und mit der heutigen Beschlussfassung Sorge dafür tragen, dass die Bundesregierung zu einer restriktiven Genehmigungspraxis zurückkehrt. Das gilt insbesondere für die Rüstungsexportpolitik gegenüber Drittstaaten.

Lassen Sie mich noch einen Hinweis geben. Sie haben vorhin das Jahr 2005 genannt. Wenn Sie sich das einmal ein bisschen genauer angucken ich gehe davon aus, dass Sie das getan haben , dann werden Sie feststellen, dass die Lieferungen in Drittstaaten im Jahre 2006 einen Anteil von 27,5 Prozent an den gesamten Rüstungsexporten hatten, im Jahre 2011 von 42 Prozent. Das ist genau das Problem. Rüstungsexporte in NATO-Mitgliedsstaaten und in die EU sind jedenfalls unserer Auffassung nach nicht das Problem. Das Problem sind die Rüstungsexporte in Drittstaaten, die eben nicht politisch stabil sind, sondern in denen wir genau von den Gefahren ausgehen müssen, die ich gerade beschrieben habe.

Das können Sie nicht ignorieren und wegleugnen. Das steht in Ihren eigenen Berichten. Lesen Sie es nach!
Umso wichtiger ist es, dass wir als Parlament uns der Frage der Rüstungsexporte und der Kontrolle der Rüstungsexporte stärker annehmen, als dies bisher der Fall gewesen ist, und zwar gerade deshalb, damit so etwas nicht immer unter dem Tisch geschieht, nicht geheim bleibt, sondern damit wir als Parlament unsere Verantwortung auch tatsächlich wahrnehmen können.

Im Augenblick erhält das Parlament die Rüstungsexportberichte immer erst mit monatelangen Verspätungen, manchmal sogar erst nach Jahren. Darüber haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Drei Monate nach Jahresende – so unsere Auffassung - müssen die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung dem Parlament vorliegen. Das sollte ein Muss sein und keine Frage von Güte oder Ähnlichem.

Wir haben noch einen zweiten Vorschlag gemacht, der mir sehr wichtig ist und der sicherlich zu einer Verbesserung der Politik führen wird, nämlich dass wir ein parlamentarisches Gremium damit beauftragen, die Verantwortung des Parlamentes auch tatsächlich wahrzunehmen. Sicherlich das haben einige meiner Vorredner gesagt; das zeigt schon ein Blick in das Grundgesetz ist eine Genehmigung oder Versagung eines Rüstungsexportvorhabens eine Sache der Exekutive. Das kann aber nicht heißen, dass das Parlament in die Entscheidungsfindung nicht mit einbezogen wird oder werden könnte und über den Vorgang noch nicht einmal informiert wird, sondern diese Informationen der Presse entnehmen muss. Waffenexporte sind von grundlegender außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung. Deshalb kann sich auch im Parlament niemand von seiner Verantwortung freisprechen.

Ich kann überhaupt keinen Grund für eine übertriebene Geheimhaltung sehen. Glaubt denn wirklich jemand allen Ernstes, dass Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien in den Zeiten, in denen wir heute leben, im Verborgenen stattfinden können? Warum kann denn eine Bundesregierung nicht Farbe bekennen und ihre Entscheidungen auch begründet darlegen? Ist es nicht Sache des Parlaments, Entscheidungen der Regierung zu überprüfen und zu kontrollieren und gegebenenfalls auch infrage zu stellen?

Genau das fordern wir. Deshalb sage ich ganz offen : Ich habe kein Verständnis für die Entscheidung der Mehrheit im Wirtschaftsausschuss, sich genau vor dieser Verantwortung zu drücken. Deshalb appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.