Die politischen Fortschritte der vergangenen Monate in Myanmar sind enorm positiv und lassen darauf hoffen, dass sich das Land demokratisch entwickelt. Damit dies gelingen kann, braucht es die Unterstützung und Begleitung der internationalen Staatengemeinschaft. Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich in einer Plenardebatte mit der Situation in Myanmar und die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn stellte dabei einen von ihr initiierten Antrag der SPD-Bundestagsfraktion vor.

Der Text der Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dass wir uns heute in dieser Debatte mit insgesamt drei Anträgen zur politischen Situation in Myanmar beschäftigen, halte ich für ein gutes Zeichen. Alle Anträge unterstreichen die Bedeutung der Umbrüche in Myanmar und verdeutlichen die Verantwortung, die wir haben, den Reformprozess so zu unterstützen, dass er zum Erfolg führt.

1962 hat das Militär im ehemaligen Burma die Macht übernommen. Das einst reichste Land Südostasiens wurde zum Armenhaus der Region, obwohl es über enorme Bodenschätze verfügt.

Vor gut zwölf Monaten hat nun ein Reformprozess in Myanmar begonnen, der so vor einigen Jahren, als protestierende Mönche noch gewaltsam niedergeschlagen wurden, nicht zu erwarten war. Viel zu sehr standen sich die politischen Gegensätze über viele Jahre unversöhnlich gegenüber. Doch die Militärjunta scheint eingesehen zu haben, dass die Bevölkerung eine Demokratisierung des politischen Systems will. Auch die Forderung der internationalen Staatengemeinschaft nach dem Schutz von Menschenrechten und grundlegenden demokratischen Rechten hat Wirkung gezeigt. Sicherlich spielte auch der Druck der Menschen für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine wichtige Rolle. Die meisten Menschen in Myanmar verbinden heute die Hoffnung auf einen politischen Demokratisierungsprozess mit der Hoffnung auf Wohlstand.

Ein ganz wichtiger Schritt im Reformprozess war und ist die Freilassung eines großen Teils der politischen Gefangenen. Die Wiederaufnahme des Dialogs mit der Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, Fortschritte im Friedensprozess mit den ethnischen Minderheiten und die begonnene Liberalisierung anderer gesellschaftlicher Bereiche waren ebenfalls wichtige Schritte. Ich finde, es stimmt hoffnungsvoll, wenn Präsident Thein Sein, ein ehemaliger General der Militärjunta, selbst davon spricht, Myanmar zu einer „echten Demokratie“ führen zu wollen. Dennoch ist die Unterstützung des Wandels notwendig; denn es gibt noch immer einflussreiche Gegner vor allem im Militärapparat.

Ein wichtiger Meilenstein waren die Nachwahlen zum Parlament am 1. April dieses Jahres. Die Mehrheitsverhältnisse im Land – da haben die Kollegen durchaus recht – haben sie zwar nicht grundlegend verändert. Aber sie waren ein ganz wichtiger Test für den Reformwillen der Regierenden und ein Barometer für die Stimmung in der Bevölkerung. Das finde ich entscheidend.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dass 43 von 45 Sitzen an die noch bis vor kurzem verbotene Nationale Liga für Demokratie gingen, ist ein eindrucksvolles Ergebnis.

Das Militär hat noch immer eine herausgehobene Stellung, nicht zuletzt deshalb, weil die Verfassung ihm noch immer eine Sperrminorität von 25 Prozent der Sitze im Ober- und Unterhaus sowie in den Regionalparlamenten garantiert; das ist zutreffend. Ob der Reformprozess gelingt oder nicht, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob die Europäische Union, ob Deutschland und andere Länder alles dafür tun, die zivilen politischen Kräfte und Organisationen in diesem Land zu stärken und so die Macht des Militärs Schritt für Schritt zu verringern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen dazu beitragen, die Mitwirkungs- und Entfaltungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft bei der weiteren Umsetzung des Reformprozesses zu stärken.

Darüber hinaus – auch das wissen wir – bedarf es einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und dem Aufbau sozialer Sicherungssysteme. Die Bevölkerung braucht diese Entwicklungsperspektive, die eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich bringt. Wir wissen doch, dass Demokratie immer auch von einem Mindestmaß an Wohlstand abhängig ist; das zeigen alle Erfahrungen. Ansonsten ist die Gefahr der Radikalisierung von Bewegungen oder sogar des Scheiterns von friedlichen Transformationsprozessen sehr groß.

Die Aussetzung der Sanktionen durch die EU und die USA hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass ausländische Investoren und Hilfsorganisationen nun die Chance haben, dabei zu helfen, eine zeitgemäße Infrastruktur in Myanmar aufzubauen und zielgerichtete Hilfestellung für die wirtschaftliche Entwicklung zu geben. Bislang hat sich hier vor allem China engagiert, das jedoch ganz eigene Zielsetzungen dort verfolgt. Die meisten Menschen in Myanmar sind trotz großer Ressourcen und Reichtümer nach wie vor arm. Gerade wir haben eine besondere Verantwortung, unsere neuen Handels- und Geschäftsbeziehungen so zu gestalten, dass sie langfristig eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Myanmar in Gang setzen und unterstützen.
Dabei – lassen Sie mich das konkret sagen – wird es sehr entscheidend darauf ankommen, dass die Einnahmen aus den Rohstoffvorkommen als Grundlage für ein breitenwirksames wirtschaftliches Wachstum im Land selbst genutzt werden. Transparenz und die Verwendung der Einnahmen aus der Rohstoffförderung sind im Übrigen eine wesentliche Voraussetzung dafür, damit dies gelingt. Die Bundesregierung – das ist ein ganz dringlicher Appell – sollte sich daher gegenüber der Regierung von Myanmar nachdrücklich dafür einsetzen, dass sich Myanmar an internationalen Transparenzstrukturen – das sind die Organisationen, die auch von der Weltbank unterstützt werden – beteiligt und Initiativen für eine nachhaltige Nutzung von Rohstoffeinnahmen für das Gemeinwohl, zum Beispiel für die Verbesserung von Bildung und den Aufbau des Gesundheitswesens, entwickelt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur durch eine umfassende und mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmte Entwicklungszusammenarbeit können Deutschland und die EU einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der ländlichen Entwicklung, zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, zur Armutsbekämpfung und zur Modernisierung des Bildungssystems leisten.

Ein wirklicher, dauerhafter demokratischer Wandel in Myanmar wird allerdings nur gelingen, wenn das, was ich eben gesagt habe, mit einer stärkeren Beteiligung möglichst vieler zivilgesellschaftlicher Akteure einhergeht. Dazu zählen aus unserer Sicht insbesondere Gewerkschaften, deren freie Betätigung durch die Militärjunta über viele Jahrzehnte völlig unterbunden war. Wir müssen heute sagen, dass es trotz neuer gesetzlicher Regelungen wie dem Verbot der Zwangsarbeit oder einem neuen Gewerkschaftsgesetz immer noch eine Vielzahl von Verletzungen der Arbeitnehmerrechte gibt. Deshalb muss sich die Bundesregierung mit Nachdruck dafür einsetzen, dass es zu besseren Rahmenbedingungen für die Arbeit von Gewerkschaften in Myanmar kommt und die in der Vergangenheit verbotenen Gewerkschaften wieder zugelassen werden,

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass Myanmar die ILO-Konvention, das Verbot von Zwangsarbeit und die Ratifizierung aller ILO-Kernarbeitsnormen konsequent umsetzt. Es reicht nicht aus, ein Gesetz zu erlassen, sondern man muss es auch umsetzen. Die Bundesregierung muss – auch das ist ein Appell an Sie – den Ausbau des Büros der ILO in Myanmar unterstützen, wenn nötig auch finanziell.

Wir wissen, dass aus einer klassischen Militärdiktatur nicht über Nacht eine klassische Demokratie wird. Dennoch sind die Entwicklungen insgesamt positiv zu bewerten. Damit das so bleibt, bedarf es der Unterstützung des Entwicklungsprozesses in Myanmar durch die Staatengemeinschaft. Ich glaube, es ist gut, wenn wir uns im Parlament auch in den kommenden Monaten mit dieser Entwicklung sehr intensiv auseinandersetzen und sie kritisch begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)