Am Donnerstag, dem 11. Juni 2015 sprach die hannoversche Abgeordnete und Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn im Plenum des Deutschen Bundestages zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA in Mali. Hier finden Sie die Rede in Bild und Wortlaut.

Am Donnerstag, dem 11. Juni 2015 sprach die hannoversche Abgeordnete und Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn im Plenum des Deutschen Bundestages zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA in Mali. Hier finden Sie die Rede in Bild und Wortlaut.


Wortlaut der Rede von Edelgard Bulmahn zur UN-Mission MINUSMA

Quelle: Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages

11.06.2015

Edelgard Bulmahn

Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

Bundesministerin a.D.

Mitglied im Auswärtigen Ausschuss

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute Mittag hatte ich ein hochinteressantes Gespräch mit der malischen Delegation. Ein Teil der Delegation nimmt jetzt an unserer Debatte teil. Die Delegation besucht Deutschland, um sich über den deutschen Föderalismus zu informieren, über die Art und Weise, wie wir Macht- und Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen in unserem Land organisiert haben und wie die Verwaltungen tätig sind. Ich freue mich sehr, dass wir die Möglichkeit haben, von unseren Erfahrungen hier etwas mitzuteilen. Ich hoffe sehr, dass dieser Besuch für Sie alle ein sehr ertragreicher und erfolgreicher wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Julia Obermeier [CDU/CSU])

Vor gut einem Monat hatten meine Kollegin Bärbel Kofler, noch ein weiterer Kollege und ich die Möglichkeit, Mali selbst zu besuchen, auf Einladung des Präsidenten des malischen Parlaments. Das Ziel dieses Besuches waren Verhandlungen und Gespräche über eine engere Zusammenarbeit zwischen dem malischen Parlament und dem deutschen Parlament, um das malische Parlament auch in der Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen und damit auch der Arbeitsmöglichkeiten zu unterstützen.

In den Gesprächen, die wir in Mali mit Regierungsvertretern – darunter mit dem Premierminister –, mit vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, aber auch mit Vertretern unterschiedlicher politischer Gruppen und mit zivilen Organisationen geführt haben, wurde immer wieder deutlich, wie groß die Hoffnung der Menschen in Mali auf den Friedensprozess ist und wie wichtig auch die Unterstützung ist, die wir von unserer Seite aus in Mali leisten.

Wenn man die Situation heute vergleicht mit dem Mali am Abgrund, 2013, dann kann man sagen, dass in den letzten zweieinhalb Jahren wirklich Erstaunliches, viel erreicht worden ist. Es gibt zwar immer noch große Herausforderungen, vor denen Mali steht – sowohl das Parlament als auch die Menschen –, aber es gibt auch enorme Fortschritte: die weitgehende Wiederherstellung der territorialen Integrität des Staates, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen – also die Rückkehr zur demokratischen Ordnung –, eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage, das Waffenstillstandsabkommen von Kidal, aber vor allen Dingen auch der Friedenspro­zess von Algier, der Abschluss des Vertrages für Frieden am 15. Mai und die Bereitschaft und die Ratifizierung, die jetzt am 20. Juni durch die Gruppen auch noch geleistet werden wird, die diesen Friedensvertrag bisher nicht unterschrieben haben. Das sind gewaltige Fortschritte, die in den letzten zweieinhalb Jahren erreicht werden konnten.

Wir haben von deutscher Seite aus diese gewaltigen Fortschritte unterstützt – und werden dies auch weiter tun – durch die Bereitstellung von Entwicklungszusammenarbeit, durch die Unterstützung des Landes in seiner kulturellen, wirtschaftlichen und auch sozialen Entwicklung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das wäre nicht möglich gewesen ohne die militärische Intervention von Frankreich und ohne die VN-Mission MINUSMA.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist Mali auch ein Beispiel dafür, dass eine apodiktische Ablehnung jeglicher militärischer Einsätze – ich rede über VN-Missionen – oder ein apodiktisches Gegenüberstellen von zivilen Missionen, zivilen Hilfestellungen und Interventionen und militärischen der Sache nicht gerecht wird. Sicher sind zivile Hilfestellung und Unterstützung, ziviles Krisenmanagement immer besser, wenn es diese Möglichkeit noch gibt; aber manchmal brauchen wir auch ein militärisches Eingreifen, damit wir überhaupt erst einmal wieder politische Verhandlungen führen können und ein politischer Prozess beginnen kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

MINUSMA ist eine VN-Mission, die erstens eine militärische Komponente enthält, um die Sicherheitslageweiter zu stabilisieren und die Bevölkerung zu schützen, die zweitens aber auch eine starke zivile und entwicklungspolitische Seite hat:

(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Vernetzte Sicherheit!)

indem die Mission die Umsetzung des Vertrages von Algier unterstützt, indem die Dezentralisierung, die in diesem Vertrag niedergelegt worden ist, unterstützt wird, in­dem der politische Dialog, die nationale Aussöhnung, unterstützt wird und indem dafür Sorge getragen wird, dass die Menschenrechte beachtet werden.

Ich glaube, dass dieser Einsatz, dass diese Mission und das, was wir zusätzlich tun, zeigen, wie wichtig es ist, dass wir bei einer wirklich massiven Krise in einem Land, bei Bürgerkrieg oder bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, einen multidimensionalen Ansatz wählen – wir können das auch einen kohärenten Ansatz nennen –,der neben dem militärischen Einsatz auch die zivilen Elemente umfasst. Ich finde es schade, dass wir in den Debatten oft nur über die militärische Mission sprechen, aber nicht über die zivile Hilfe und Unterstützung, die wir gleichzeitig leisten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen auch in diesem Parlament ganzheitlich denken und ganzheitlich agieren. Wir sollten den gesamten Umfang der Missionen inklusive der Hilfestellungen betrachten. Dann, glaube ich, wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns engagieren, dass wir außenpolitisch mehr Verantwortung übernehmen; denn so können wir wirklich dazu beitragen, die Lebensverhältnisse in den Ländern zu verbessern. So können wir den Menschen eine neue Perspektive geben. So können wir sie dabei unterstützen, diese Perspektive zu entwickeln. Deshalb ist es richtig, dass wir uns neben dem militärischen Einsatz im Rahmen von MINUSMA auch an politischen und sozialen und auch an Programmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligen.

Wir unterstützen im Übrigen auch das Parlament, weil das Parlament eine ganz erhebliche Verantwortung besitzt. Es hat eine wichtige Aufgabe und eine erhebliche Bedeutung für gutes Regieren in einem Land. Gelegentlich vergessen wir als Parlamentarier das. Dabei müssten wir das aus eigener Erfahrung sehr gut wissen. Deshalb will ich an dieser Stelle die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Parlament in Mali unterstreichen. Diese Zusam­menarbeit bezieht sich nicht nur auf die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Parlamenten, sondern wir unterstützen Mali auch bei dem Aufbau und der Weiterentwicklung regionaler Parlamente und Verwaltungen. Damit unterstützen wir das Land mit Blick auf eine gute Regierungsführung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gute Regierungsführung ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass ein Land eine friedliche und stabile Entwicklung nimmt. Wie wichtig das ist, hat gerade erst eine Umfrage gezeigt, die morgen den VN zur Kenntnis gegeben wird. Nach dieser Umfrage sagen 70 Prozent der Bevölkerung Malis, dass die Sicherheitslage in Mali, dass friedliche, stabile Verhältnisse für sie eine ganz große Bedeutung haben. Knapp 50 Prozent sagen, dass ihnen die Arbeitslosigkeit, die soziale Entwicklung insgesamt große Sorgen bereiten.

Deshalb unterstreiche ich zum Schluss noch einmal, wie wichtig es ist, dass wir den kohärenten Ansatz, den wir gewählt haben, fortsetzen. Die kulturelle Zusammenarbeit gehört im Übrigen auch dazu: Deutschland unterstützt Mali bei der Restaurierung der wunderbaren Bibliothek von Timbuktu. Auch das gehört dazu, weil das ein wichtiger Teil der Geschichte und Tradition Malis ist.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Bei allem Engagement, Frau Bulmahn, Sie müssen zum Schluss kommen.

Edelgard Bulmahn (SPD):

Ich plädiere deshalb ausdrücklich dafür, dieser Mission zuzustimmen. Wenn Sie das Land besuchen, werden Sie selbst erleben, wie wichtig das ist. – Da geht mir das Herz über, Frau Präsidentin. Ich hoffe, Sie sehen es mir nach. – Ich bitte Sie sehr, der Fortsetzung dieser Mission zuzustimmen, weil das für die Menschen in Mali von ungeheurer Bedeutung ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion zur Verlängerung der UN-Mission MINUSMA

Bundestag berät über Einsatzverlängerung

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag über eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Mali beraten (Drs. 18/5053). Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) soll um ein Jahr verlängert werden, um die Sicherheitslage des westafrikanischen Lands weiter zu festigen.

Nach einem Militärputsch 2012 eskalierte die Gewalt besonders im Norden Malis. Rebellentruppen riefen hier einen eigenen Staat aus und terrorisierten die Bevölkerung. Frankreich stoppte im Januar 2013 den Vormarsch der Rebellen und schuf damit die Grundlage für eine Deeskalation. Mit dem Einsatz der Mission MINUSMA wurde ein weiterer wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Landes gelegt.

Mit dem Einsatz soll Mali in die Lage versetzt werden, selbst die staatliche Souveränität aufrecht zu erhalten und das Land zu sichern. Denn die Sicherheitslage in der Sahelregion ist weiterhin instabil. Terrorismus, Kriminalität und Verarmung in der Region können mittelfristig auch Auswirkungen auf Europa haben. Mali ist ein Schwerpunkt des deutschen sicherheitspolitischen Engagements in Afrika. Die Beteiligung an der Mission wiederum ist ein wichtiger Baustein in einem ganzheitlichen Ansatz. Neben MINUSMA ist Deutschland unter anderem auch an der Ausbildungsmission EUTM Mali beteiligt und unterstützt Mali bei der Krisenprävention und Entwicklungshilfe.

Friedensabkommen unter Leitung Algeriens

In Verhandlungen zwischen der malischen Regierung und Vertretern der bewaffneten Gruppen wurde unter Leitung Algeriens ein Friedensabkommen erarbeitet. Dieses wurde zwar am 15. Mai 2015 von einigen, jedoch noch nicht von allen Konfliktparteien unterzeichnet. Die MINUSMA-Mission wird weiterhin dringend gebraucht, um die Sicherheitslage und den politischen Prozess zur Umsetzung des Friedensvertrags zu festigen. Auch dient die Mission einem Zugang für humanitäre Akteure in Mali. Die Mandatsobergrenze liegt bei 150 Soldatinnen und Soldaten.