Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik sein!
Gewaltsamen Konflikten in aller Welt kann heute nicht mehr nur mit militärischen Mitteln begegnet werden. Vielmehr bedarf es intelligenter und nachhaltiger Konzepte der zivilen Krisenprävention und des Konfliktmanagements. Darauf hat die hannoveraner Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn in der heutigen Debatte des Parlamentes hingewiesen und den von ihr initierten Antrag der SPD-Fraktion "Deutschland braucht dringend eine kohärente Strategie der zivilen Krisenprävention" vorgestellt.
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Antrag der SPD-Bundestagsfraktion
Die Rede im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Herren und Damen!
Willy Brandt prägte vor vielen Jahren den Satz: Nicht der Krieg, der Frieden ist der Vater aller Dinge.
In den letzten drei Wochen konnte die ganze Welt erleben, dass erfolgreiche zivile Krisenprävention möglich ist. Im Sudan konnte eine drohende Welle der Gewalt, womöglich sogar ein Bürgerkrieg, durch ein konsequentes ziviles Konfliktmanagement der internationalen Staatengemeinschaft und vor allen Dingen der Afrikanischen Union verhindert werden. Noch kurz vor Beginn des Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudans war bei vielen die Befürchtung sehr groß, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen könnte. Heute können wir feststellen, dass das Referendum gerade aufgrund des großen internationalen Engagements friedlich verlaufen ist. Dies ist ein Modell für eine erfolgreiche Politik, die der zivilen Krisenprävention und dem zivilen Konfliktmanagement strategischen Vorrang zumisst. Das sollte für uns Anlass sein, die erfolgreichen präventiven Ansätze von staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren im Sudan fortzusetzen und zu intensivieren.
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Gesamtkonzept „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ der zivilen Krisenprävention in der deutschen Außenpolitik eine herausragende Rolle, eine Vorrangstellung zugewiesen hat. Mit dem Aktionsplan aus dem Jahre 2004 haben wir die strategische Bedeutung der zivilen Krisenprävention und des zivilen Konfliktmanagements noch einmal unterstrichen. Er war und ist ein Meilenstein auf dem Weg, die Prävention von Gewaltkonflikten und die zivile Konfliktbearbeitung zu einer wichtigen politischen Querschnittsaufgabe in Deutschland zu machen. Dies hat - ich sage das noch einmal ausdrücklich - eindeutig Vorrang gegenüber militärischen Interventionen. Dieser Aktionsplan hat Strukturen und Institutionen geschaffen, die erfolgreich arbeiten und im Übrigen international hoch angesehen sind. Für viele Nichtregierungsorganisationen hat er den Rahmen geschaffen, in dem sie ihre wichtige Arbeit durchführen und ausbauen können.
Der Dritte Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans, über den wir hier heute debattieren, macht jedoch deutlich, dass die jetzige Bundesregierung diese erfolgreiche Arbeit nur halbherzig fortsetzt. Der Umsetzungsbericht, der ja eher ein Kompendium als ein Bericht ist, zeigt vor allem eines: die Perspektivlosigkeit und das mangelnde Interesse dieser Bundesregierung an präventiven Konfliktlösungen und auch am zivilen Konfliktmanagement. Es ist deshalb erfreulich, dass das Parlament - ich sage ausdrücklich: das gesamte Parlament - dieses wichtige Thema aufgegriffen hat. Der Unterausschuss hat sich auf eine veränderte Form des Berichtes verständigt. Statt einer summarischen und kleinteiligen Aufzählung aller Aktivitäten, wie sie jetzt vorliegt, müssen in Zukunft die Ziele und Perspektiven herausgestellt und die Schwerpunkte und Maßnahmen klar beschrieben und gewichtet werden. Es ist gut und richtig, dass in Zukunft nicht nur die Bundesregierung, sondern auch das Parlament Schwerpunktthemen benennen kann.
Allein das Berichtswesen zu ändern, reicht nicht aus. Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik sein. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine kohärente Strategie für zivile Krisenprävention. Die Zielsetzung deutscher Außenpolitik, die strategische Umsetzung und die Priorität der zivilen Krisenprävention müssen dargelegt werden, um davon ausgehend konkrete Handlungsfelder, Maßnahmen und Projekte abzuleiten. Analog dem Prozess auf europäischer Ebene gilt es, die politischen Ziele aus deutscher Sicht zu formulieren und dabei die zivilen und krisenpräventiven Zielsetzungen kurz und prägnant zu beschreiben. Zusätzlich brauchen wir - darüber haben wir uns im Unterausschuss immer wieder ausgetauscht - eine interne und eine externe Evaluierung der Fortschritte und Erfolge, um Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der zivilen Krisenprävention zu gewinnen und ihre gesellschaftliche und politische Akzeptanz zu erhöhen. Das ist dringend notwendig. Die Bundesregierung muss der zivilen Krisenprävention ohne Wenn und Aber Vorrang gegenüber militärischen Aktionen geben.
Die zivile Krisenprävention muss mehr politisches Gewicht erhalten. Deshalb sollte die Ressortkoordinierung künftig nicht nur in einem Ressortkreis, sondern auch über einen Staatssekretärsausschuss, der echte Entscheidungskompetenzen im Übrigen auch finanzielle Entscheidungskompetenzen besitzt, erfolgen.
Auch der zivilgesellschaftliche Beirat beim Auswärtigen Amt, eine wichtige Schnittstelle zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, muss aus seinem Schattendasein herausgeführt werden. Dass die Bundesregierung in diesem wichtigen Gremium Informationen nur weitergibt, aber die vielfältigen Kompetenzen, die in diesem Gremium versammelt sind, nicht umfassender nutzt, ist schlicht und einfach falsch. Die Warnsignale für drohende Gewalteskalationen ein weiterer Punkt sollten frühzeitiger und systematischer zusammengeführt und umgehend in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Early Warning und Early Action gehören zusammen, und nur wenn diese beiden Aspekte zusammen betrachtet werden, können wir erfolgreich sein.
Krisenprävention ist nicht alleine eine nationale Aufgabe. Der nichtständige Sitz im VN-Sicherheitsrat und der neugeschaffene Europäische Auswärtige Dienst bieten große Chancen, internationale Krisenprävention auch aus deutscher Sicht entscheidend mitzugestalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, nutzen Sie diese Chancen.
Zivile Krisenprävention hat heute eine immer größer werdende Bedeutung bei der Lösung der weltweiten Konflikte. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn es schon zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ist. Auch dann ist ziviles Konfliktmanagement gefragt und notwendig. Wenn man diese Auffassung hat, Herr Spatz, und wenn man das teilt davon gehe ich aus , dann heißt das aber auch, dass dafür die notwendigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Insofern das muss ich ganz klar sagen kann ich leider nicht oft genug betonen, wie fatal die Kürzungen im Haushalt 2011 waren und sind. Wir laufen Gefahr, als verlässlicher Partner überhaupt nicht mehr ernst genommen zu werden. Deshalb müssen wir im Haushaltsjahr 2012 dringend wieder mehr finanzielle Mittel für die zivile Krisenprävention bereitstellen. Gerade die deutschen Nichtregierungsorganisationen, die seit Jahren eine ganz wichtige und wertvolle Arbeit leisten, müssen in die Lage versetzt werden, ihre erfolgreiche Arbeit fortzuführen. Genau das ist im Augenblick gefährdet.
In unserem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir konkrete Vorschläge gemacht, wie wir zu einer kohärenten Strategie für die zivile Krisenprävention kommen können. Es ist jetzt an uns allen, aber vor allen Dingen an der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen, die Weichenstellungen vorzunehmen. Sie müssen unter Beweis stellen, dass Sie es wirklich ernst meinen und dass Sie wirklich davon überzeugt sind, dass zivile Krisenprävention Vorrang haben muss. Denn nur so kann deutsche Außenpolitik im Sinne Willy Brandts auch weiterhin Friedenspolitik sein. Die SPD-Fraktion wird daran mitarbeiten.
Vielen Dank.