Mindestlohn Wichtige Schritte auf dem Weg zum Ziel!

Es ist eine Schande: Viele Menschen in unserem wohlhabenden Land arbeiten den ganzen Tag und können sich und ihre Familien trotzdem nicht vom erarbeiteten Lohn ernähren. Stundenlöhne von drei oder vier Euro verletzen einen wichtigen Grundwert unserer sozialen und demokratischen Ordnung: die Würde des Menschen und seiner Arbeit.

Selbst in tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen gibt es Armutslöhne. So beträgt der tarifliche Stundenlohn für Frisörinnen und Frisöre in Sachsen 3,06 Euro. Dies ergibt einen Monatslohn von 492 Euro. Eine Floristin in Schleswig-Holstein hat bei einem tariflichen Stundenlohn von 5,94 Euro ein Monatseinkommen von 1004 Euro. Dies hat mit den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.

Wir Sozialdemokraten wollen, dass Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Darin sind wir uns mit den Gewerkschaften einig. Wie in anderen europäischen Staaten auch brauchen wir einen gesetzlich abgesicherten, allgemein verbindlichen Mindestlohn. So gibt es in Frankreich, den Beneluxstaaten, Großbritannien und Irland allgemein verbindliche Mindestlöhne zwischen 7,48 Euro und 8,69 Euro. Das ist auch aus ökonomischen Gründen vernünftig:

° Dumpinglöhne belasten die Steuerzahler. In Deutschland erhalten fast eine halbe Million Menschen, die einer sozialversicherungspflichtigen Vollbeschäftigung nachgehen, ergänzendes Arbeitslosengeld II, weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht. Letztlich belasten damit Unternehmer, die Dumpinglöhne zahlen, alle Steuerzahler.

° Arbeitnehmer, die langfristig mit Dumpinglöhnen abgespeist werden, sind auf Dauer bis ins Rentenalter hinein auf ergänzende Hilfen des Staates angewiesen. Auch hier werden Kosten, die eigentlich vom Unternehmer zu tragen wären, auf die Steuerzahler abgewälzt.

° Mindestlöhne schützen nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping. Sie schützen vor allem kleine und mittlere Betriebe vor einem Vernichtungswettbewerb durch Konkurrenten, die mit Lohndumping arbeiten. Wie die Erfahrungen im Baubereich zeigen, sichern Mindestlöhne Konkurrenzfähigkeit und das Überleben heimischer Betriebe. Mindestlöhne sichern Arbeitsplätze.

Leider sind diese Erkenntnisse bei unserem Koalitionspartner noch nicht angekommen. Die Union, die sich so gerne auf Ludwig Erhard als den Vater der sozialen Marktwirtschaft beruft, stiehlt sich aus ihrer sozialen Verantwortung. Sie will nicht einmal registrieren, dass Mindestlöhne in anderen großen europäischen Staaten ein Erfolgsmodell sind. Dennoch konnten wir in äußerst mühsamen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner einige wichtige - wenn auch nicht ausreichende - Schritte in Richtung eines Mindestlohns vereinbaren:

° Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz soll für Branchen geöffnet werden, die zu mehr als 50 Prozent tarifvertraglich gebunden sind. Damit können schon in kurzer Zeit durch Vereinbarungen z.B. bei den Postdienstleistern, in der Entsorgungswirtschaft, in der Zeitarbeit und im Bewachungsgewerbe für bis zu 2 Mio. Menschen Mindestlöhne geschaffen werden.

° Für Branchen mit geringerer Tarifbindung sollen künftig über einen Ausschuss Anträge auf einen Mindestlohn gestellt werden können, der auf Vorschlag des Bundesarbeitsministers durch das Bundeskabinett festgelegt werden kann.

Mit diesem Verhandlungsergebnis haben wir die Tür zu einem gesetzlichen Mindestlohn ein Stück weit geöffnet. Es ist ein Teilerfolg. Für uns ist das Thema damit nicht beendet - im Gegenteil: Die SPD-Bundestagsfraktion wird nicht locker lassen, bis es einen bundesweit flächendeckenden Mindestlohn gibt.