Die nächste Etappe unserer Familienpolitik

Moderne und sozial gerechte Familienpolitik ist entscheidend für die zukünftige Entwicklung unseres Landes

Familienpolitik hat für uns Sozialdemokraten einen hohen Stellenwert. Wir wissen, dass eine moderne und sozial gerechte Familienpolitik entscheidend ist für die zukünftige Entwicklung unseres Landes.

In der vergangenen Legislaturperiode haben wir damit begonnen, in der Familienpolitik eine andere Richtung einzuschlagen. Weg von der konservativen, antiquierten Form der eindimensionalen, allein auf die Erhöhung von Geldtransfers an Familien gerichtete Politik, hin zu einem intelligenten Mix aus Infrastruktur, Zeit und Geld. Dazu sind das Elterngeld, der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen, die flexible Elternzeit, das Recht auf Teilzeit, die steuerliche Begünstigung von Familien, der Kinderzuschlag, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, die Allianz für Familie, die Lokalen Bündnisse für Familie und die fortschreitende Gleichstellung von Frau und Mann wichtige Bausteine, die von Sozialdemokraten entwickelt und umgesetzt wurden.

Den von uns eingeschlagenen Weg setzen wir auch in der Großen Koalition fort.

Die Familienpolitik ist auf einem guten Weg - dank des von uns angestoßenen Paradigmenwechsels. Unser Umsteuern hin zu einem Dreiklang von Geldleistungen, Betreuungsausbau und Zeit für Familien war richtig, denn genau das ist der Mix, der eine zukunftsfähige und moderne Familienpolitik ausmacht. Von einem wirklich nachhaltigen Gleichgewicht sind wir aber noch immer weit entfernt. Die bereits auf den Weg gebrachten Maßnahmen greifen an entscheidenden Schnittstellen noch nicht effizient ineinander.

Wir wollen zur europäischen Spitzengruppe aufschließen Deutschland gibt nicht zu wenig aus für Familien, sondern vielfach an den falschen Stellen. Insgesamt 184,5 Mrd. Euro geben Bund, Länder und Gemeinden jährlich für familienbezogene Leistungen und Maßnahmen aus, die sich aus 153 Posten zusammensetzen. Die jüngsten internationalen und nationalen Studien zeigen aber, dass diese Mittel nicht immer effizient und sinnvoll eingesetzt werden. Andere Länder sind bei gleichem oder geringerem Mitteleinsatz erfolgreicher in punkto Geburtenrate, Armutsvermeidung, Frauenerwerbstätigkeit und Bildungschancen, weil sie ihre Mittel effizienter einsetzen und mehr in eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur investieren.

Deshalb war es dringend erforderlich, dieses Dickicht zu durchwühlen und Vorschläge zu unterbreiten, wie das Geld sinnvoller ausgegeben werden kann. Der Abschlussbericht unserer Arbeitsgruppe zeigt uns Lösungsmöglichkeiten auf, wie wir möglichst zügig zu der Spitzengruppe von erfolgreichen Staaten wie den skandinavischen Ländern oder Frankreich aufschließen können. Deshalb wollen wir Familien gezielter finanziell unterstützen und vor allem in den Betreuungsausbau investieren.

Der Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder ist der entscheidende Schlüssel zum Erfolg Ohne weitere konsequente Schritte beim Ausbau des Betreuungsangebots werden Ziele, wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile, die Eröffnung besserer Zukunftschancen für Eltern und Kinder sowie bessere Integrationserfolge bei Kindern mit Migrationshintergrund oder aus benachteiligten Familien, noch für lange Zeit mehr Wunsch als Wirklichkeit bleiben.

Der Ausbau des Angebots an Kinderbetreuung ist ein wirkungsvoller Schlüssel zur: - Verbesserung der Bildungs- und damit Zukunftschancen unserer Kinder - besseren Integration von Kindern aus sozial benachteiligten Familien - besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf - nachhaltigen Armutsvermeidung

Weiterentwicklung unserer Familienpolitik Wir wollen daher den von uns begonnenen Weg einer modernen Familienpolitik mit weiteren klaren Akzentsetzungen weiter gehen. Deshalb setzen wir uns zum Ziel, zügig Quantität und Qualität der Angebote für Betreuung, Bildung und Erziehung zu verbessern.

Das können wir erreichen, indem wir - einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Betreuungsplatz für alle Kinder vom 1. Geburtstag an bis hin zum Schuleintritt, der ab dem Jahr 2010 gilt - durch Qualifizierungsangebote sowie dem Angebot auch einer weiter verbesserten Ausbildung für Erzieher und Erzieherinnen der Notwendigkeit einer qualitativ hochwertigen Förderung der Kinder Rechnung tragen - schrittweise die Eltern von den Beiträgen für Kindergärten/ Kindertagesstätten befreien

Tatsächliche Wahlfreiheit für Eltern schaffen Wir haben das Elterngeld eingeführt, jetzt muss der beschleunigte Ausbau der Kinderbetreuung folgen. Denn junge Eltern erwarten zu Recht, dass sie nach 12 oder 14 Monaten in den Beruf zurückkehren können. Dafür brauchen sie ein entsprechendes Betreuungsangebot.

Bei einem Angebot von Kindertagesbetreuung in Westdeutschland von aktuell rd. 7 Prozent bei den Unter-3-jährigen gibt es für viele Eltern keine wirkliche Wahlfreiheit. Mit dem Ausbau der Betreuungsplätze wollen wir tatsächliche Wahlfreiheit schaffen. Bis zum Jahr 2010 wollen bei den Unter-3-jährigen Kindern ein bedarfsdeckendes Angebot von 20 Prozent erreichen. Bei den 3- bis 6-jährigen müssen wir von heute rd. 26 Prozent auf 50 Prozent kommen. Wir wollen den Familien damit ein Angebot unterbreiten. Wir wollen Eltern ermöglichen, ihren Beruf nach angemessener Zeit wieder nachzugehen. Und diesen Zeitraum sollen sie selbst bestimmen können und sich nicht von Zwängen oder gar von selbsternannten Familienpäpsten vorschreiben lassen.

Es handelt sich dabei um ein Angebot, nicht um eine Verpflichtung! Die Eltern, die ihre Kinder erst später in die Obhut anderer geben, wie auch die Eltern, die dies früher tun, sind in ihrer Entscheidungen frei und dabei besteht überhaupt kein Anlass, dass sich die einen von den anderen etwas vorschreiben oder gar vorwerfen lassen müssen!

Wir wollen nicht, dass ausgerechnet diejenigen Länder, die bereits in der Vergangenheit für ein gutes Angebot an Kindertageseinrichtungen gesorgt haben, leer ausgehen. Deshalb sollen die Neuen Länder einen Aufschlag von 720 Mio. Euro erhalten.

Nicht nur die Quantität der Betreuung, auch die Qualität muss verbessert werden Wir haben in Deutschland viele engagierte Erzieherinnen und Erzieher. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung. Unter teilweise schwierigen Bedingungen leisten sie gute Arbeit. Jedoch hinken die Ausbildungsstandards von Erzieherinnen und Erziehern denen anderer Länder hinterher. Zur Erreichung der Verbesserung der Qualität setzen wir auf - Anhebung des Ausbildungsniveaus von Erzieherinnen und Erziehern, insbesondere für die Einrichtungsleiterinnen und leiter - Verbesserung der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und ein Qualifikationsprogramm für Tagesmütter - eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels - eine verbesserte Sprachförderung in den Kindertagesstätten in Verbindung mit einem Sprachtest spätestens ein Jahr vor dem Schuleintritt - flächendeckende Qualitätstrainings sowie - die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems

Beitragsfreiheit ist die konsequente Folge Der Besuch von Kinderkrippe und Kindergarten vermittelt gerade auch Bildung und ist damit der Einstieg in eine erfolgreiche Bildungsbiographie.

Deshalb treten wir dafür ein, dass auch für die vorschulische Bildung Beitragsfreiheit gelten soll, genau so wie dies bei der schulischen Bildung der Fall ist. Mit dieser Maßnahme entlasten wir Eltern, bei ihren Beiträgen für den Kindergartenbesuch um jährlich rd. 1,4 Mrd. Euro.

Ziele/Kosten - Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 1. Geburtstag: 3,5 Mrd. Euro (2010) (+ Aufschlag von 720 Mio. Euro für die Neuen Länder) - Qualitätsverbesserung (erhöhtes Ausbildungsniveau der Erzieherinnen, bessere Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, besserer Betreuungsschlüssel etc.): rd. 760 Mio. Euro (2010) - Einführung der Gebührenfreiheit für den Besuch der Kindertagesstätten (3 - 6 Jahre): 1,4 Mrd. Euro

Finanzierung Wir wollen, dass unsere Ziele Wirklichkeit werden. Wir wollen, dass das vorhandene Geld besser und wirkungsvoller eingesetzt wird als bisher. Deshalb schlagen wir eine solide Finanzierung des Bildungs- und Betreuungsangebots vor:

1. Wir wollen alle Finanzmittel, die durch die geringeren Kinderzahlen frei werden, in den Bereich der Betreuungs- und Bildungsangebote investieren. Denn: durch die rückläufigen Kinderzahlen werden Bund, Länder und Kommunen finanziell entlastet. Auch der Bund wird weniger für das Kindergeld und die kindbezogenen Steuerfreibeträge ausgeben müssen. Im Jahr 2010 sind dies Einsparungen von rund 630 Mio. Euro allein durch geringere Kindergeldzahlungen. Diese frei werdenden Mittel wollen wir wieder den Familien zur Verfügung stellen.

2. Die finanzielle Unterstützung von Familien ist jetzt schon sehr gut in Deutschland. Wir haben das Kindergeld seit 1998 um 37 Prozent erhöht, von damals 112 auf nunmehr 154 Euro. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht mehr einseitig auf die Erhöhung von individuellen Transferleistungen setzen sollten. Jetzt ist es an der Zeit, mehr in die Infrastruktur zu investieren. Wir wollen mehr Geld für bessere Bildungs- und Zukunftschancen unserer Kinder ausgeben. Deshalb halten wir es für gerechtfertigt, einmalig die nächste Kindergelderhöhung aussetzen, und zwar um 10 Euro monatlich. Das bringt eine Entlastung von rd. 1,9 Mrd. Euro (Bund 1,4 Mrd. Euro, Länder 0,5 Mrd. Euro).

3. Wir wollen den Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung in Höhe von 2.160 Euro moderat senken, und zwar um 300 Euro. Denn inzwischen ist die steuerliche Anerkennung von Betreuungskosten in breitem Umfang sichergestellt und muss nicht noch zusätzlich durch den pauschalen Ansatz des Freibetrags für Betreuung, Erziehung und Ausbildung berücksichtigt werden. Einsparung rd. 280 Mio. Euro (Bund 119 Mio. Euro, Länder 119 Mio. Euro, Kommune rd. 42 Mio. Euro).

4. Wir wollen Leistungen, die sich ausschließlich auf die Förderung der Ehe konzentrieren, vorsichtig begrenzen und die dabei frei werdenden Mittel in den Bildungs- und Betreuungsbereich investieren. Deshalb wollen wir ein tariftechnisches Realsplitting mit einem Übertrag von 15.000 Euro einführen. Das bringt Steuermehreinnahmen von rd. 1,9 Mrd. Euro (Bund 810 Mio. Euro, Länder 810 Mio. Euro, Kommunen 280 Mio. Euro). Wir halten diese Maßnahme für gerechtfertigt, denn - Familienförderung hat für uns Vorrang vor der Eheförderung - damit setzen wir auf Geschlechtergerechtigkeit und positive Erwerbsanreize für Frauen - unser Modell berücksichtigt sehr stark soziale Aspekte, indem es die Bezieher von kleinen Einkommen gar nicht belastet.

Wir Sozialdemokraten wissen, dass sich die Aufgaben und Ziele der Familienpolitik in Deutschland in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich gewandelt haben. - Wir wissen, dass das von Konservativen bis heute vertretene deutsche Familienbild mit einem allein verdienenden Vater und der nicht erwerbstätigen Mutter längst überholt ist. - Wir wissen von der veränderten Lebenswirklichkeit von Familien. Heute besteht eine Vielfalt unterschiedlicher Familienformen. Auch wenn die Mehrheit der Kinder noch immer in einer Familie mit dem leiblichen Vater und der leiblichen Mutter aufwächst, nimmt die Zahl der Alleinerziehenden ebenso zu wie die Zahl der Patchwork- und Stieffamilien sowie der nicht-ehelich geborenen Kinder. - Wir wissen, dass sich die Lebensentwürfe von jungen Frauen und Männern verändert haben. Nur noch 5 Prozent der jungen Frauen wollen ausschließlich Mutter und Hausfrau sein; die übergroße Mehrheit möchte beides: Familie und Beruf. Das gilt auch für immer mehr Männer. - Wir wissen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland schwieriger ist als in anderen Ländern. - Wir wissen, dass insbesondere bei Alleinerziehenden das Armutsrisiko groß ist. - Und wir wissen aus internationalen und nationalen Studien, dass Deutschland bei der frühkindlichen Bildung erheblichen Nachholbedarf hat.

Es ist gut, dass auch die Union nun langsam beginnt, diese Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.

Mit unseren familienpolitischen Konzeptionen sind wir auf der Höhe der Zeit und sehr dicht bei den Bedürfnissen junger Familien. Wir dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren. Deshalb schlagen wir ein föderales Bündnis für Kinder und Familien vor. Wir schlagen vor, dass die Parteivorsitzenden der Regierungsparteien und die Bundesregierung die Kommunen, die Länder und den Bund zu einem Auftakt für dieses föderale Bündnis einladen. Denn in den Fragen der Kinder- und Jugendhilfe haben alle - Bund, Länder und Kommunen - Kompetenzen durch das Grundgesetz. Wir wollen, dass alle Ebenen erfolgreich ihre Kräfte bündeln und zusammenarbeiten: Für unsere Kinder und unsere Familien.