[03.2007] Rente mit 67
Potenziale Älterer nutzen Rente mit 67 und Initiative 50plus
Herausforderungen des demografischen Wandels
Die zusammenhängenden Gesetzesinitiativen Initiative 50plus und Rente mit 67 geben das Signal, unsere Haltung zu älteren Menschen und ihrer Rolle in Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend zu ändern. Die Erfahrungen und Kompetenzen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gebraucht. Stärker als bisher muss das Alter als produktive Lebensphase anerkannt werden. Die Arbeitswelt von morgen braucht alle Generationen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Erfahrungen.
Die geplante langfristige Anhebung des gesetzlichen Rentenalters ist auch für uns eine bedeutsame und schwierige Entscheidung. Aber die Rente mit 67 und die damit verbundene Initiative 50plus sind angemessene und notwendige Antworten auf die Herausforderungen, die der demografische Wandel für Gesellschaft und Arbeitswelt bringt. Wir begegnen damit den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, stabilisieren die Rentenfinanzen und verbessern die Arbeitsmarktbedingungen älterer Menschen. Die langsame und schrittweise Anhebung des Rentenalters beginnt erst 2012. Um bis dahin die Erwerbschancen Älterer zu verbessern, wird bereits jetzt die Initiative 50plus gestartet.
Höhere Lebenserwartung, längere Ausbildungszeiten, weniger Beitragszahler das sind die Fakten, mit denen wir uns in der Rentenpolitik auseinandersetzen müssen, da sich die Relation der Zahl der Erwerbstätigen, die die Renten finanzieren, zu der Zahl der Rentner und Rentnerinnen verschlechtert. Die entscheidenden Maßnahmen, um die langfristige Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung sicherzustellen, sind in den letzten Jahren bereits erfolgt. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist die abschließende Maßnahme, damit wie beschlossen die Beitragssätze langfristig stabil bleiben und bis 2020 nicht über 20 Prozent und bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen.
Schrittweise Erhöhung des Rentenalters ab 2012
Das neue Renteneintrittsalter von 67 Jahren trägt der gestiegenen Lebenserwartung und damit dem längeren Rentenbezug Rechnung. So ist die Rentenbezugsdauer in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt um rund 7 Jahre auf nunmehr 17 Jahre gestiegen. Und es ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 bei 65-jährigen Männern und bei 65-jährigen Frauen um weitere 2,8 Jahre anwachsen wird.
Die Erhöhung des Rentenalters geschieht keineswegs abrupt, sondern erfolgt schrittweise. Ab 2012 wird das Renteneintrittsalter um einen Monat, ab 2024 um zwei Monate pro Jahr erhöht, so dass 2029 das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 67 Jahren liegt. Der Jahrgang 1964 ist der erste, der mit 67 Jahren in Rente gehen wird.
Würden wir jetzt nicht handeln, wären höhere Beitragssätze die Folge. Eine moderate Anhebung der Lebensarbeitszeit ist also auch ein Gebot der Fairness gegenüber den aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Grundlegende Umorientierung
Die nachhaltige Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar ein wichtiger Bestandteil der Reform, darüber hinaus jedoch geben die Gesetzesinitiativen zur Anpassung des Rentenalters und zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen das Signal zu einer grundlegenden Umorientierung unserer Gesellschaft. Der Altersdurchschnitt der Gesamtbevölkerung und damit auch des zur Verfügung stehenden Potenzials an Arbeitskräften wird sich in den kommenden Jahrzehnten deutlich erhöhen. Allerdings scheint dieses Bewusstsein noch nicht überall angekommen zu sein. Viele Arbeitgeber beklagen den schon heute spürbaren Mangel an Fachkräften, haben es aber selbst versäumt in Aus- und Weiterbildung auch von älteren Mitarbeitern zu investieren. Dazu kommt, dass viele Unternehmen niemanden mehr beschäftigen, der älter als 50 Jahre ist. Rund 55 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind nicht mehr berufstätig. Auch diesem Trend muss entgegengewirkt werden. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, bleibt für die Zukunft kein anderer Weg, als Arbeitnehmern zu ermöglichen bei verbesserten Rahmenbedingungen länger als bisher erwerbstätig zu bleiben. Es ist vorhersehbar, dass die Arbeitsmarktlage sich gerade dann grundlegend entspannen wird, wenn wir mit der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters beginnen. In einigen Jahren werden die Unternehmen älteren Arbeitnehmern nicht nur Arbeitsplätze anbieten können, sie werden uch darauf angewiesen sein, dass die älteren erfahrenen Arbeitnehmer länger erwerbstätig bleiben.
Mit den tatsächlichen Entwicklungen im Einklang
Für die SPD-Bundestagsfraktion ist die Anhebung des Rentenalters kein Selbstzweck, deshalb haben wir daran bestimmte Bedingungen geknüpft: Im Gesetzentwurf haben wir eine Vorbehaltsklausel verankert. Die Bundesregierung ist demnach verpflichtet, ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist. Trotz aller Notwendigkeiten darf die Anhebung des renteneintrittsalters nur umgesetzt werden, wenn sie mit den tatsächlichen Entwicklungen im Einklang steht. Eine Revision bleibt also möglich.
Deshalb ist es auch falsch zu behaupten, dass nur finanzielle Erwägungen bei der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre eine Rolle spielen. Wenn wir uns das Ziel setzen, die Sozialversicherungsbeiträge möglichst niedrig zu halten, haben wir vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Blick: Mit unseren Maßnahmen verhindern wir, dass der Rentenbeitragssatz bis zum Jahr 2030 über 22 Prozent steigt. Fahrlässig wäre es, die Beitragssätze zu erhöhen und damit die Kosten für Arbeit zu verteuern. Aber auch die Erhöhung des Steueranteils aus Bundesmitteln, der bereits bei knapp 80 Milliarden Euro liegt, darf bei der derzeitigen Struktur des Rentensystems als Option nicht in Betracht gezogen werden. Die Verantwortung für vorhandene Finanzierungslücken würde so lediglich weiter in die Zukunft verschoben.
Vertrauensschutz gewährleistet
Der oft wiederholte Vorwurf, die Erhöhung des Rentenalters bedeute eine Rentenkürzung, ist angesichts einer im Durchschnitt weiter steigenden Rentenbezugsdauer haltlos. Tatsächlich sorgen gerade unsere Maßnahmen dafür, dass die heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner keine Einbußen fürchten müssen. Die jetzt geltenden Regelungen bei der Erwerbsminderungsrente für langjährig Versicherte bleiben erhalten. Wer mit 35 Arbeitsjahren (bis 2023) in die Erwerbsminderungsrente muss, kann dies weiterhin nach dem derzeitigen Recht tun; ab 2024 benötigt man dazu 40 Arbeitsjahre. Dies war für uns bei den Verhandlungen unabdingbar. Denn ein langes Arbeitsleben darf nicht mit höheren Abschlägen und damit einer niedrigeren Rente bestraft werfen. Darüber hinaus bleibt auch das Zugangsalter für langjährig Versicherte als flexibler Rentenzugang ab 63 Jahren erhalten.
Außerdem ist es uns gelungen, eine Verschiebung des Stichtags für die Geltung des Vertrauensschutzes bei Altersteilzeit vom 29. November auf den 31. Dezember 2006 zu erreichen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die den Geburtsjahrgängen 1954 und älter angehören, genießen nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz Vertrauensschutz, wenn sie zum Stichtag verbindlich Altersteilzeit vereinbart haben, und können so mit 62 Jahren in die Altersrente für langjährig Versicherte gehen.
Mehr Beschäftigung Älterer
Wir wissen, dass eine Erhöhung des Rentenalters ins Leere laufen muss, wenn sich die derzeitige Arbeitsmarktlage für ältere Menschen nicht grundlegend ändert. Wir haben deshalb beschlossen, die Beschäftigungsmöglichkeiten Älterer zu verbessern. Denn eine längere Lebensarbeitszeit kann nicht nur durch die formale Änderung des Rentenrechts erreicht werden. Mit der Initiative 50plus wollen wir den Mentalitätswechsel in den Unternehmen für mehr Beschäftigung Älterer fördern. Wir wollen deren Beschäftigungsfähigkeit verbessern und die Qualifizierung ausbauen, damit sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes von morgen genügen. Deshalb übernimmt der Bund die Weiterbildungskosten für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleineren und mittleren Betrieben. Weiterhin ist vorgesehen den Kombilohn ür Ältere auszubauen und Eingliederungszuschüsse bei einer Einstellung von älteren Arbeitnehmern zu gewähren.
° Künftig können Beschäftigten bereits ab 45 Jahren (statt wie bisher ab 50 Jahren) in Betrieben mit bis zu 250 Arbeitnehmern (derzeit bis 100 Arbeitnehmer) die Weiterbildungskosten erstattet werden.
° Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 120 Tagen haben einen Rechtsanspruch auf einen teilweisen Ausgleich der Differenz zwischen dem Nettoentgelt vor der Arbeitslosigkeit und dem Nettoentgelt, das sie in der neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erhalten. Die Nettoentgeltdifferenz wird im ersten Jahr zu 50 Prozent und im zweiten Jahre zu 30 Prozent ausgeglichen. Darüber hinaus werden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus der neuen Beschäftigung durch einen Zuschuss auf 90 Prozent der früheren Beiträge aufg
° Arbeitgeber können künftig Eingliederungszuschüsse erhalten, wenn sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, einstellen und mindestens ein Jahr beschäftigten. Voraussetzung ist, dass die Eingestellten in den letzten sechs Monaten arbeitslos waren oder an bestimmten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilgenommen oder persönliche Vermittlungshemmnisse haben. Die Eingliederungszuschüsse werden den Arbeitgebern für mindestens ein Jahr, höchstens drei Jahre in Höhe von mindestens 30 Prozent und höchstens 50 Prozent der Lohnkosten gewährt.
Die Regelung über befristete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab Vollendung des 52. Lebensjahres wird neu gestaltet. Künftig ist Voraussetzung für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages, dass die ältere Arbeitnehmerin oder der ältere Arbeitnehmer unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos war, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen hat. Die Höchstbefristungsdauer bei demselben Arbeitgeber wird fünf Jahre betragen. Gute Arbeitsmarktbedingungen sind Voraussetzungen für längeres Arbeiten. Deshalb unterstützen wir die Betriebe mit der Initiative INQA dabei, ihre Arbeitsbedingungen modern und alternsgerecht zu gestalten. Qualifizierung und Gesundheit sind die Schlüssel für die Fähigkeit und Bereitschaft Älterer, berufstätig zu sein. Mit dem Programm Perspektive 50plus werden Regionalprojekte zur beruflichen Wiedereingliederung Älterer gefördert. Und wir ermöglichen für Ältere 30.000 Zusatzjobs bis zu einer Laufzeit von drei Jahren.
Chancen einer älter werdenden Gesellschaft nutzen
Zusammen mit der insgesamt erfreulichen Entwicklung am Arbeitsmarkt werden diese Maßnahmen dafür sorgen, dass sich die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich verbessern. Darüber hinaus rufen wir aber auch die Tarifparteien dazu auf, ihren Beitrag zu leisten. Denn sie sind primär für Beschäftigung, Qualifizierung und Erhalt der Arbeitskraft verantwortlich. Wir Sozialdemokraten wollen an unserem bewährten System der Sozialversicherung festhalten. Wer die Augen vor der Realität und vor gesellschaftlichen Entwicklungen verschließt, untergräbt langfristig die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme. Die genannten gesellschaftlichen Entwicklungen einfach zu ignorieren oder in Abrede zu stellen, wäre der deutlich einfachere aber unredliche Weg.
Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die älter werdende Gesellschaft zu einer Chance zu machen. Die Maßnahmen sind notwendig, wenn wir frühzeitig auf die tief greifenden Veränderungen der kommenden Jahre vorbereitet sein wollen. Wir wollen die Potenziale einer älter werdenden Gesellschaft besser nutzen. Dazu ist ein anderes Verständnis von Alter und Altern notwendig. Wir treten gemeinsam für einen Einstellungswandel ein: Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen ein neues Altersbild befördern und das Alter noch stärker als aktive Lebensphase begreifen. Die Potenziale älterer Menschen brachliegen zu lassen, kann sich unsere Gesellschaft nicht leisten.