Am Donnerstag, dem 18. Mai 2017 sprach die hannoversche Abgeordnete Edelgard Bulmahn zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Mali. Hier finden Sie die Rede in Wort und Bild.

Rede von Edelgard Bulmahn

Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

Bundesministerin a.D.

zum Antrag der Bundesregierung zur

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali)

Rede von Edelgard Bulmahn zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Mali.

Sehr geehrter Herr Präsident!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 2012 stand Mali am Abgrund. Dieses Land drohte infolge des Putsches, des Wiederaufflammens der Tuareg-Rebellion und des Vormarsches islamistischer Banden zu zerbrechen, zu einem „Failed State“ zu werden. Nur das entschlossene Eingreifen Frankreichs hat Schlimmeres verhindert und die Einleitung eines Friedensprozesses ermöglicht, der 2015 in den Abschluss eines Friedensvertrages mündete – ein umfangreicher Vertrag, der nicht den Abschluss eines Prozesses markierte, sondern vielmehr ein Programm zur Überwindung wirklich tiefgreifender Konflikte darstellte. Und er zeigte einen Weg zu einem dauerhaften Frieden auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das militärische Eingreifen damals war notwendig. Es war notwendig, um zum einen die Zivilbevölkerung zu schützen. Es war aber auch notwendig, um überhaupt die Aufnahme eines politischen Verhandlungsprozesses zu ermöglichen, der dann zu diesem Friedensvertrag führte. Der Konflikt selbst wurde dadurch – das ist jedem klar – nicht überwunden. Eine tatsächliche Überwindung des Konfliktes erfordert weitaus mehr. Nachhaltige Friedenssicherung verlangt, dass man die Ursachen eines Konfliktes beseitigt bzw. zumindest mildert sowie Institutionen und Verfahren zur friedlichen Regelung von Konflikten etabliert. Die Konfliktregionen müssen gemeinsam mit den Konfliktparteien die Voraussetzungen und die Strukturen für ein friedliches Zusammenleben schaffen. Das gilt auch für Mali. Entscheidend für den Prozess, der in Mali begonnen wurde, sind der Aufbau und die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen und demokratischer Institutionen. Das ist die entscheidende Voraussetzung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Entscheidend sind auch die Bekämpfung von Armut, Hunger und Not sowie die Verbesserung von Lebenschancen und Perspektiven, also eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Entscheidend sind des Weiteren die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die ein riesiges Problem darstellt, und die effektive Bekämpfung der Korruption. Entscheidend sind ebenfalls die Einhaltung der Menschenrechte, gute Regierungsführung und die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols, das die Sicherheit der Menschen gewährleistet und all das, was ich eben beschrieben habe, überhaupt erst ermöglicht und die Voraussetzungen dafür schafft, dass das tatsächlich geleistet wird. Dazu gehören insbesondere der Wiederaufbau von Polizei und Justiz, aber auch einer Armee, die sich dem Leitbild der Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet fühlt. Deshalb ist es notwendig und richtig, dass sich die Bundesrepublik bereit erklärt hat, die malische Armee dabei zu unterstützen, ein entsprechendes Leitbild zu entwickeln und leistungsfähiger zu werden, damit sie die wichtige Aufgabe des Schutzes der Bevölkerung erfüllen kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es geht also – das sage ich insbesondere an die Adresse der Fraktion Die Linke, die sich immer dagegen verwahrt hat – um einen ganzheitlichen und kohärenten Ansatz bei diesem Einsatz, der nicht alleine auf die Stärkung militärischer Strukturen abhebt. Allerdings stellt die Stärkung der militärischen Strukturen in dem Sinne, wie ich es beschrieben habe, eine wesentliche Komponente dar. Die Arbeit der Bundeswehr ist wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wissen sehr wohl zu schätzen, was die Soldatinnen und Soldaten dort jeden Tag leisten. Wir wissen aber auch, dass die militärische Komponente allein nicht ausreicht; denn Sicherheit lässt sich auf Dauer nur gewährleisten, wenn auch die zivilen Sicherheitsstrukturen gestärkt werden und die Voraussetzungen für Sicherheit der Menschen und Rechtsstaatlichkeit geschaffen werden. Deshalb engagieren wir uns in Mali nicht nur in der Ausbildung von Militär, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Wir engagieren uns mit der EU-Mission EUCAP und der zivilen Komponente, der VN-Mission MINUSMA, in der Ausbildung von Polizeikräften. So sind allein für die Polizeiausbildung in beiden Missionen über tausend Polizistinnen und Polizisten in Mali tätig.

Wenn wir heute über die Fortsetzung der Beteiligung an der EU-Mission zur Ausbildung der malischen Streitkräfte entscheiden, sollten wir diese Mission daher nicht isoliert betrachten. Vielmehr müssen wir sie in den Kontext unseres Gesamtengagements stellen und genau in diesem Kontext betrachten und diskutieren. Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär. Erst im Januar hatte MINUSMA, die Friedensmission der UN, einen verheerenden Anschlag mit 80 Toten in einem ihrer Camps zu beklagen. Diese prekäre Sicherheitslage ist zu einem erheblichen Teil die Folge einer zu zögerlichen Umsetzung des Friedensprozesses. Andererseits gibt es deutliche Fortschritte – auch diese sind in Mali zu beobachten –, die Hoffnung auf eine Befriedung und eine Überwindung des Misstrauens zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen machen. Ich nenne als Beispiele die Abhaltung der Kommunalwahlen im vergangenen Herbst, die Einrichtung von Interimsregierungen im Norden und die Durchführung gemeinsamer Patrouillen, in denen regierungsnahe Soldaten oder Polizisten mit ehemaligen separatistischen Tuareg und Rebellengruppen zusammenarbeiten. Ich konnte selber eine solche Patrouille begleiten und beobachten. Es ist wirklich beeindruckend, was dort in den letzten Jahren geleistet worden ist. Diesen Prozess sollten wir offensiv weiter begleiten und unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es gilt, diesen Prozess so zu begleiten, dass er wirklich Erfolge zeitigt, dass er dazu beiträgt, dass der Friedensprozess gelingt; denn wir wissen, dass das eine erhebliche Rolle spielt und es entscheidend für die weitere Entwicklung Malis, aber auch für die weitere Entwicklung von ganz Westafrika ist. Ich will noch einen kritischen Punkt ansprechen, der uns alle, glaube ich, betrifft und weil wir alle diesbezüglich Verantwortung tragen. Was ein Problem darstellt, ist die schleppende Umsetzung der Vereinbarung zur Dezentralisierung staatlicher Gewalt. Dazu gehören zum Beispiel die stärkere Einbeziehung des Nordens in die nationalen Institutionen, vor allem aber die Verlagerung von Kompetenzen auf die regionale Ebene und der Aufbau von effektiven regionalen Verwaltungsstrukturen und auch einer lokalen Verwaltung.

Dazu gehört auch die Zuweisung von finanziellen Mitteln in die Regionen, die diese eigenständig verwalten und verausgaben dürfen. Das ist Teil des Friedensvertrages, und zwar ein ganz wesentlicher Teil. Gerade bei diesem Punkt habe ich bei meiner letzten Reise nach Mali im Februar dieses Jahres leider sehr viel Zögerlichkeit zur Kenntnis nehmen müssen. Hier stehen wir als internationale Partner in der Verantwortung, gegenüber der malischen Regierung sehr deutlich zu machen, dass unsere Hilfe bei der Stärkung des Sicherheitssektors nur dann langfristigen Erfolg bringen kann, wenn auch der Friedensvertrag und insbesondere die konfliktentschärfende Dezentralisierung umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Aufgabe von uns allen. Die Stärkung des Sicherheitssektors, der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit auf der einen Seite und die effektive Dezentralisierung auf der anderen Seite – das sind die entscheidenden Voraussetzungen für die Stabilisierung Malis, und dafür lohnen sich unsere Unterstützung und unser Einsatz. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für diesen Antrag und für den Einsatz. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)