Am 21. März 2013 debattierte der Deutsche Bundestag auf Anfrage der SPD-Fraktion über Konzepte in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Auswärtige Kulturpolitik ist mehr als das Abwägen nach wirtschaftlichen Interessen. Kulturpolitik muss auch immer gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln. Sie soll das schöpferische und innovative Potenzial einer Gesellschaft, eines Landes und das geistige Fundament darstellen und vermitteln.

Hier meine Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Auswärtige Kulturpolitik ist nicht nur eine dritte Säule der Außenpolitik, sondern diese Politik ist es, die häufig Brücken baut, die ganz häufig erst Türen öffnet und die – so habe ich das oft erlebt – oft überhaupt erst Wege für politische Beziehungen und für gute Partnerschaft und Nachbarschaft ebnet.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)

Deshalb lohnt es sich auch, darüber zu streiten: Wie können wir unsere Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weiterentwickeln, damit sie dieser wichtigen Rolle noch besser gerecht wird, als das vielleicht in der Vergangenheit geschehen ist?
Ich sage ausdrücklich: Der Unterausschuss spielt dabei eine wichtige und konstruktive Rolle. Was das AA in seinem Konzept niedergelegt hat, dass Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik dazu beitragen soll, den Dialog, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Menschen und zwischen den Ländern zu stärken, das kann von uns allen sicherlich unterschrieben werden.
Dass dann sogar noch gesagt wird, dass sie auch Beiträge zur Lösung regionaler und lokaler Konflikte leisten kann, das unterstreiche ich ausdrücklich. So weit die Theorie. Die Praxis sieht aber leider oft etwas anders aus. Wir diskutieren heute jedoch über die Praxis, nicht nur über die Theorie, weil sich daran die Qualität von Politik bemisst. Es geht darum, ob das, was ich als Konzept, als Theorie formuliere, tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird. Die Praxis des AA orientiert sich jedoch offensichtlich an der Leitfrage: Was nützt Deutschland wirtschaftlich?

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich erkenne durchaus an – das ist überhaupt keine Frage –, dass Sie die Finanzierung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik verbessert haben. Ich will allerdings einen Satz hinzufügen. Ich erinnere an das Jahr 2000, in dem wir – damals allerdings seitens des BMBF, nicht vom AA –, GATE-Germany starteten, Ausgründungen von Hochschulen in Ägypten, Jordanien, Singapur und China starteten und erfolgreich durchführen, verbunden mit erheblichen Mittelaufstockungen für den DAAD und auch für die Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Diese Initiativen im Ausland haben die folgenden Regierungen weitergeführt. Das freut mich.
GATE-Germany wurde weitergeführt; die Erhöhung der Zahl der Auslandsstipendien wurde fortgesetzt; das freut mich.

Aber ich sage ausdrücklich: Auswärtige Kulturpolitik ist aus unserer Sicht noch mehr. Kulturpolitik muss auch immer gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln. Sie soll das schöpferische und innovative Potenzial einer Gesellschaft, eines Landes und das geistige Fundament darstellen und vermitteln. Auch das ist eine wichtige Aufgabe der Kulturpolitik, nicht nur die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen.

(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])

Diese Aspekte kommen uns in Ihrer Politik zu kurz. Ich habe gestern Diskussionen mit über hundert jungen Menschen gehabt, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Worüber haben wir diskutiert? Über die großen globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir haben über den Klimawandel, das Gefälle in der Entwicklung der unterschiedlichen Länder sowie über die große Kluft zwischen Arm und Reich diskutiert.
Es ist notwendig, dass wir genau solche Debatten und Diskussionen führen. Der Wert der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik misst sich auch daran, welchen Beitrag sie dazu leistet, dass es eine direkte, vorurteilsfreie Zusammenarbeit von Menschen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Kulturschaffenden, gibt. Ein freier Austausch von Ideen, Kenntnissen, Erkenntnissen, Erfahrungen und Sichtweisen sowie zugrunde liegenden Wertorientierungen, das ist ein Wert an sich, der sich ökonomischen Kategorien erst einmal entzieht, der aber ganz erhebliche Bedeutung für das friedliche und produktive Zusammenleben von Menschen hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die erfolgreiche Bewältigung der globalen Herausforderungen hängt davon ab, ob hier entscheidende Beiträge zur Lösung entwickelt werden können. Das ist, finde ich, eine der wichtigsten Aufgaben auswärtiger Kulturpolitik. Bei aller Liebe, Kolleginnen und Kollegen, das können Sie nicht durch Ausstellungen leisten.

(Beifall bei der SPD)

Das können Sie nur durch das Zusammenführen von Menschen und die Vergabe von Stipendien leisten. Wir brauchen davon mehr als bislang. Ich will einen zweiten Punkt nennen, der mir wichtig ist. Der Deutsche Bundestag gestaltet die Rahmenbedingungen und stellt die Finanzierung sicher. Aber entscheidend ist, dass die Mittlerorganisationen ihre wichtige und erfolgreiche Arbeit gut fortsetzen können.

(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])

Dazu gehört Verlässlichkeit bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen. Da gibt es, ganz offen gesagt, noch etwas zu tun. Lieber Herr Kollege Vorsitzender des
Unterausschusses, der Unterausschuss hat genau dies immer in den Mittelpunkt seines Wirkens gestellt: Verlässlichkeit bei Finanzierung und Rahmenbedingungen.
Wenn ich sehe, dass die Goethe-Institute in den letzten drei Jahren 12 Millionen Euro verloren haben, gleichzeitig aber immer neue Aufgaben und Anforderungen an sie gestellt werden, dann ist das das Gegenteil von Verlässlichkeit. Wir müssen aber für Verlässlichkeit sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kollegen, Bildung ist mehr als schulische Ausbildung oder das Erlernen der deutschen Sprache; das wissen wir alle doch. Bildung ist die Befähigung zu Emanzipation, Demokratie und Aufarbeitung von Konflikten. Dem konkreten Handeln der Bundesregierung fehlt es genau an dieser Dimension des Bildungsbegriffs.

Deshalb verwundert es mich nicht, dass Kulturvermittler, Fachleute und Politiker nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus den Organisationen hier die Bundesregierung kritisieren.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Ich hoffe sehr, dass der nun erarbeitete Entwurf eines Auslandsschulgesetzes im Deutschen Bundestag noch deutlich verändert wird. Warum? Weil es nicht angeht, dass nur ein Drittel der Schulen Mittel erhalten; das ist wirklich eine falsche Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Weil es auch nicht angeht, dass die Gemeinwohlorientierung aufgegeben wird. Diese Orientierung ist immer ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die Wertschätzung der deutschen Schulen gewesen. Weil es auch nicht angeht, dass die Qualität der deutschen Schulen leidet, weil immer weniger Lehrer – aus unserem eigenen Land – dort tätig sind und genau das tun, was wir auch wollen, nämlich Kultur vermitteln. Deswegen sage ich ausdrücklich:
Wenn wir wollen, dass die deutschen Schulen weiterhin hohe Anerkennung finden und dazu beitragen, dass Deutschland als Kulturnation Wertschätzung im Ausland erfährt, – dann muss dieser Gesetzentwurf verändert werden.
Da baue ich auf Sie alle.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN