Anlässlich der heutigen Debatte zum Haushalt des Auswärtigen Amtes für das Jahr 2012 machte die hannoversche Bundestagesabgeordnete Edelgard Bulmahn noch einmal deutlich, dass es der derzeitigen Bundesregierung an einer außenpolitischen Strategie fehlt. Trotz einiger finanzieller Aufwüchse ist nicht zu erkennen, dass die schwarz-gelbe Koalition gewillt ist, dauerhaft und langfristig z.B. die Mittel für zivile Konfliktlösungsinstrumente aufzustocken.

Der Text der Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

In einer Haushaltsdebatte geht es in erster Linie um Zahlen – scheinbar. In Wirklichkeit geht es um politische Zielsetzungen, es geht um politische Strategien – in diesem Fall um außenpolitische Strategien –, und es geht um Schwerpunktsetzungen. Deshalb freue ich mich, Herr Bundesminister, dass Sie jetzt doch in dieser Debatte reden werden, obwohl dies ursprünglich offensichtlich nicht geplant war. Als Parlament erwarten wir, dass Sie Ihre politischen Zielsetzungen und Strategien darlegen. Das ist das gute Recht des Parlaments.

Wenn ich auf die Zahlen schaue, kann ich sagen, dass sie auf den ersten Blick erfreulich sind. Das Budget des Auswärtigen Amtes wächst um 6 Prozent. Gerade im Bereich der zivilen Krisenprävention und der auswärtigen Kulturpolitik gibt es Aufwüchse; das haben meine Kollegen bereits gesagt. Man könnte meinen, alles sei gut. Ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Das ist aber leider nicht der Fall. Das zeigt ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung. Die Steigerungen sind von nur sehr kurzer Dauer. Bereits für das Jahr 2013, also das übernächste Jahr, sind Kürzungen um 5 Prozent geplant.

Ich will auch an die Tatsache erinnern, dass es in diesem Jahr, im Jahr 2011, besonders große und, offen gesagt, auch sehr fatale Kürzungen gerade im Bereich der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung gab. Dort fehlten im Vergleich zum Jahre 2010 mehr als 80 Millionen Euro. Wenn ich das zusammenfasse, dann muss ich leider sagen, dass die Zahlen des Haushalts zeigen, dass es nicht mehr als ein kurzes Aufflackern ist, wenn Sie nicht langfristig und dauerhaft die Mittel für die zivile Krisenprävention und humanitäre Aufgaben aufstocken. Erst dann, meine sehr geehrten Herren und Damen, wird es wirklich zu einer überzeugenden Strategie.

Ein kurzfristiges Auf und Ab hilft leider niemandem. Deshalb sage ich ausdrücklich: Notwendig ist eine langfristige Aufstockung dieser Haushaltstitel. Was die jetzige Regierungskoalition betrieben hat, ist eine Schadensbegrenzung. Die Nichtregierungsorganisationen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und, wie ich denke, nicht zuletzt auch die Opposition sind gegen die Haushaltskürzungen in diesem Jahr Sturm gelaufen. Die Proteste sind scheinbar auch bei der Bundesregierung angekommen. Das ist gut. Aber: Bitte nicht nur für ein Jahr, sondern auf Dauer! Ich finde, Sie müssten hier Mut haben und gerade in den Bereichen der zivilen Krisenprävention und der humanitären Hilfe die Akzente richtig setzen und die Haushaltsmittel auf Dauer, auch in der mittelfristigen Finanzplanung, aufstocken.

Ich will als weiteren Punkt ausdrücklich den arabischen Frühling nennen, weil der arabische Frühling, die Umbrüche in Nordafrika und die Rufe nach Demokratie und Menschenrechten im Nahen Osten für uns alle – über alle Fraktionen hinweg – ein ganz wichtiges und auch ein ermutigendes Signal darstellen. Ich will aber auch sagen, dass die Nachrichten, die uns aus Syrien oder aktuell aus Kairo erreichen, deutlich machen, dass der Wunsch nach Demokratie und politischer Selbstbestimmung in diesen Ländern auf massiven Widerstand stößt. Menschen werden verfolgt und getötet. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Demokratiebewegung, diejenigen, die wirklich für mehr Selbstbestimmung und Demokratie eintreten, eine starke Unterstützung aus der Bundesrepublik Deutschland erhaltenund dass sie diese Unterstützung – wiederum – nicht nur kurzfristig erhalten.
Ein solcher Transformationsprozess ist nicht in zwei Jahren abgeschlossen; er dauert länger. Deshalb muss auch hier die Hilfe langfristig geleistet werden, und sie muss schwerpunktmäßig gegeben werden; denn sonst hat Außenpolitik keinen Erfolg. Eine außenpolitische Strategie hat nur dann Erfolg, wenn sie langfristig verfolgt wird, wenn auch die langen Linien stimmen und wenn die Schwerpunkte richtig gesetzt sind.

Nur dann können wir – und das müssen wir auch – unsere Beiträge leisten: zum wirtschaftlichen Aufbau, zum Aufbau demokratischer Strukturen, zum Aufbau von Justiz, Polizei und Verwaltung in diesen Ländern, um nur einige Beispiele zu nennen. Dazu braucht es zweifelsohne eine finanzielle Grundlage, aber eben auch den politischen Gestaltungswillen und eine politische Konzeption. Das, meine sehr geehrten Herren und Damen, gilt im Übrigen auch für Afghanistan. Es reicht eben nicht, nur finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Notwendig ist auch das politische Konzept. Da stelle ich schon die Frage – auch an Sie, Herr Bundesminister –: Wo ist das politische Konzept für die Afghanistan-Konferenz, die schon in zwei Wochen in Bonn stattfinden wird?

Wir haben im Auswärtigen Ausschuss noch nicht ein einziges Wort dazu gehört. Wir haben auch im Bundestag dazu noch keine Aussagen gehört. Wenn man zwei Wochen vorher nicht weiß, wohin man will, dann habe ich große Sorge, ob diese Konferenz zu dem Erfolg führen wird, den wir alle wollen. Wir alle wollen einen Erfolg dieser Konferenz, weil wir wissen, dass dies für die Entwicklung in Afghanistan von immenser Bedeutung ist. Aber dazu gehört auch, dass der Bundesaußenminister und die Regierung wissen, was sie erreichen wollen, und durch Verhandlungen den Weg dazu bereiten, so dass sie dann auch praktisch prüfen können: Haben wir eigentlich das erreicht, was wir uns vorgenommen haben? Bisher müssen wir hier ein großes Fragezeichen setzen; denn wir zumindest wissen davon nichts. Es kann ja sein, dass Sie das mit Ihren Mitarbeitern erörtert haben. Aber ich denke, zum politischen Prozess gehört auch, dass man Verbündete und Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat. Nur dann kann man einen politischen Erfolg erzielen.

Sie, Herr Westerwelle, haben immer – ich finde: zu Recht – darauf hingewiesen, dass man mit militärischen Mitteln keine Konflikte lösen kann, sondern dass man dafür Politik und zivile Mittel braucht. Wir, die SPD-Fraktion, haben schon vor etwa einem Jahr Vorschläge für die Weiterentwicklung einer an zivilen Mitteln orientierten Außenpolitik gemacht und dargestellt, wie hier unseres Erachtens Fortschritte erzielt werden können. Es ist schade, dass es bisher keine Stellungnahme und auch keine Positionierung der Regierungsfraktionen dazu gibt. Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen, dass dies geleistet wird, weil wir sonst nicht vorankommen. Ich glaube, es ist gut, wenn man gerade bei diesen Fragen miteinander um die richtigen Wege, um die richtigen Instrumente und auch um die richtigen Lösungen streitet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich will wie folgt schließen: Es muss darum gehen, die außenpolitische Strategie und die Konzeption nicht nur für die Afghanistan-Politik, sondern insgesamt für die nächsten zwei Jahre darzulegen, anstatt zum Beispiel über fachliche Kompetenzen und ein Hin- und Hergeschiebe zwischen den beiden Häusern BMZ und Auswärtiges Amt zu streiten. Ich habe die Hoffnung, dass das in dieser Debatte vielleicht noch gelingen wird.

Vielen Dank.