Der Bundestag in Berlin hat heute über die aktuelle Situation in Somalia beraten. Die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn hat dabei noch einmal betont, dass wirkliche Fortschritte in dem Land am Horn von Afrika nur zu erreichen sind, wenn der Aufbau funktionsfähiger staatlicher Strukturen einhergeht mit der Bekämpfung der Armut und der Sicherung der Menschenrechte. Dabei kann militärisches Engagement kein Ersatz für Staatlichkeit und für eine friedliche Entwicklung Somalias sein.

Die Rede von Edelgard Bulmahn im Wortlaut:

"Die Situation in Somalia ist, man kann es nicht anders beschreiben, verfahren. Seit fast zwanzig Jahren gibt es keinen funktionierenden Staat am Horn von Afrika. De-facto ist das Land dreigeteilt: in Somaliland als gewissermaßen gefestigtem Staat, Puntland als schwachen Staat und Süd-Somalia als gescheiterte, quasi staatenlose Region. Sie wird von den zunehmend radikalisierten al-Shabaab-Milizen kontrolliert, die nicht nur Terror gegenüber der somalischen Bevölkerung ausüben, sondern durch Anschläge auch die Bevölkerung in den Nachbarstaaten bedrohen. Die von den Vereinten Nationen anerkannte somalische Übergangsregierung unter Sheikh Sharif ist nicht in der Lage, mehr als wenige Straßenzüge in Mogadischu zu kontrollieren. Und auch das gelingt ihr nur, weil die Mission der Afrikanischen Union (AMISOM) den Schutz der Übergangsregierung sicherstellt und den Zugang zum Hafen und zum Flughafen kontrolliert. Das Interesse der Mehrheit der Bevölkerung an einem Ende der Kämpfe, an einem Wiederaufbau und einem menschenwürdigem Leben wird von den bewaffneten Gruppen schlicht missachtet.

Von den insgesamt 8,5 Millionen Einwohnern Somalias ist knapp die Hälfte auf Nahrungsmittelhilfe von außen angewiesen und jedes vierte Kind akut unterernährt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten des Konfliktes wurden fast 1,5 Millionen Menschen vertrieben. In den vergangenen Monaten haben mehr als 20.000 Menschen ihre Heimat auf der Suche nach Wasser verlassen. Hilfsorganisationen warnen aktuell davor, dass bis zu einer halben Million Menschenleben durch ausbleibende Regenfälle und eine der schlimmsten Dürreperioden der vergangenen Jahre bedroht sind.

Derzeit ist wohl kein Akteur alleine in der Lage, die physische Sicherheit der somalischen Bevölkerung zu garantieren oder gar rechtsstaatliche Mechanismen zu gewährleisten. Gerade Sicherheit ist jedoch eine der Schlüsselvoraussetzung für Frieden und eine nachhaltige Entwicklung. Mit der EU-Trainingsmission in Somalia (EUTM) leistet die Europäische Union einen wichtigen Beitrag, um ein Mindestmaß an Sicherheit in und für Somalia zu erreichen.

Die EU und ihre beteiligten Mitgliedstaaten greifen dabei gerade nicht parteiisch in einen Bürgerkrieg ein, wie es Die Linke in ihrem Antrag in unverantwortlicher Weise behauptet. Sie agieren in Abstimmung mit der internationalen Staatengemeinschaft. In seiner Resolution 1872 hat der VN-Sicherheitsrat regionale und internationale Organisationen explizit aufgefordert, Unterstützung bei der Ausbildung der somalischen Sicherheitskräfte zu leisten. Diese Resolution ist die Grundlage für EUTM. Die Mission dient nicht nur dazu, Soldaten in militärisch-technischen Fragen auszubilden. Zum Programm zählt auch die Ausbildung in Fragen von Menschenrechten mit einem Schwerpunkt auf Frauen- und Kinderschutz. Deshalb gehören sowohl weibliche Ausbilder wie auch ein „Gender Advisor“ zum Team von EUTM.

Bei aller Bedeutung die wir der Mission beimessen, dürfen wir natürlich auch die Probleme nicht außer Acht lassen. Es ist richtig, es lässt sich nicht ausschließen, dass einige der gut ausgebildeten Soldaten bei ihrer Rückkehr nach Somalia die Seiten wechseln. Sie werden dies vor allem dann tun, wenn sie sich schlecht behandelt oder benachteiligt fühlen. Eine gute und regelmäßige Bezahlung ist dabei nur ein, aber ein wichtiger Aspekt. Die Mission und damit die Hoffnung auf Sicherheit in Somalia gänzlich aufzugeben ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Deshalb muss die internationale Staatengemeinschaft alles daran setzen nicht nur die Ausbildung der Soldaten, sondern auch die Rahmenbedingungen für deren Einsatz zu verbessern.

Die Linke spricht sich in ihrem Antrag dafür aus, die deutsche Beteiligung an EUTM sofort zu beenden. Gleichzeitig fordert sie aber auch eine politische Lösung in Somalia. Letzteres kann ich nur unterstützen, doch leider sagt der Antrag nichts dazu, wie eine politische Lösung erreicht werden kann. Hier zeigt die Linke schlichtweg Orientierungslosigkeit.

Wirkliche Fortschritte werden wir in Somalia nur erreichen, wenn der Aufbau funktionsfähiger staatlicher Strukturen einschließlich der Sicherheitsstrukturen einhergeht mit der Bekämpfung der Armut und der Sicherung von Menschenrechten. Dabei kann militärisches Engagement kein Ersatz für Staatlichkeit und für eine friedliche Entwicklung Somalias sein. Das hat gerade meine Fraktion immer wieder betont, zuletzt bei der Verlängerung des ATALANTA-Mandates. Deshalb müssen wir uns weiterhin am Programm der internationalen Gemeinschaft zum Wiederaufbau staatlicher Strukturen und an der Finanzierung von AMISOM beteiligen.

Die Afrikanische Union selbst hat eine immer wichtigere Rolle bei der Friedenssicherung und Konfliktlösung übernommen. Die vorhandenen Kapazitäten gilt es auszubauen und zu stärken. Deutschland sollte daher die AU in ihrem Bestreben positive Entwicklungen für den afrikanischen Kontinent herbeizuführen, nach allen Kräften unterstützen. Bei der Lösung der vielfältigen Konflikte in Afrika muss die AU einer der wichtigsten Partner der internationalen Staatengemeinschaft sein. Mit Blick auf die Situation in Somalia hat die AU bei ihrem Gipfel in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass sie bereit und in der Lage ist hier Verantwortung zu übernehmen.

Entsprechend den internationalen Vereinbarungen läuft das Mandat der somalischen Übergangsregierung am 20. August 2011 ab. Und man ist sich in der Staatengemeinschaft einig, dass es hier keinen Aufschub geben darf. Aufgabe ist es bis dahin eine neue Verfassung zu entwickeln, freie und faire Wahlen zu organisieren und dabei in einem demokratischen Prozess die verschiedenen somalischen Akteure einzubinden. Wenn das nicht gelingt, dann wird die nächste somalische Administration nicht mehr sein als die 16. Übergangsregierung seit 1991."