Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2011 sprach die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn heute im Plenum des Deutschen Bundestages zum Haushalt des Auswärtigen Amtes. Sie betonte dabei vor allem, dass die geplanten Kürzungen von 30% im Bereich der Zivilen Krisenprävention besonders fatal sind. Trotz eines geringen Sparpotentials werden funktionierende Strukturen und Vertrauen zerstört. Die Rede im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ohne eine konsequente Abrüstungs- und Friedenspolitik, ohne wirtschaftliche Aufbauhilfe, ohne die Sicherung der Menschenrechte und ohne die Sicherung der Demokratie würden wir heute nicht in einem friedlichen Europa und werden wir auch nicht in einer friedlichen Welt leben.

Sehr geehrter Herr Außenminister, deshalb teile ich die Aussage, die Sie vor wenigen Minuten an dieser Stelle gemacht haben, dass Abrüstung in Zukunft von ebenso großer Bedeutung sein wird wie der Klimawandel. Das ist ein richtiger Satz; aber der gleiche Außenminister betreibt eine falsche Politik, wenn er die finanziellen Mittel für Abrüstung und Rüstungskontrolle um ein Drittel streicht.

Gute Politik braucht nicht nur Worte, sondern sie braucht auch Taten. An anderer Stelle, Herr Außenminister, führten Sie aus - ich zitiere: "Werteorientierung und Interessenleitung gehören beide zum Kompass einer guten deutschen Außenpolitik." Das ist richtig, Herr Außenminister. Aber ich frage Sie: Von welchen Werten und von welchen Interessen lassen Sie sich leiten, wenn Sie die Mittel zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratisierung um die Hälfte liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben richtig gehört: um die Hälfte streichen? Offensichtlich fehlt dem Außenminister der Kompass für eine stringente Außenpolitik im deutschen Interesse.

Oder wie ist es zu erklären, dass Sie, Herr Westerwelle, ausgerechnet dort kürzen und streichen, wo es um die zentralen Aufgabenfelder der deutschen Außenpolitik, wie die Sicherung der Menschenrechte, die Krisenprävention oder die auswärtigen Kulturpolitik, geht? Deutsche Außenpolitik sollte engagierte Friedenspolitik sein, eine Friedenspolitik die auf Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie setzt.

Eine solche Außenpolitik gründet auf Vertrauen. Soziale, wirtschaftliche, kulturelle und nachhaltige Entwicklung ist die Basis für eine erfolgreiche Außenpolitik. Gerade mit den Konzepten der zivilen Krisenprävention, der Konfliktbearbeitung und der Friedenskonsolidierung leistete Deutschland bisher einen international hochanerkannten und hochrespektierten Beitrag zur Friedenssicherung. Die Beispiele, die in der Debatte genannt wurden, haben das sehr deutlich unterstrichen. Statt diese Kompetenzen zu nutzen und auszubauen, streicht die schwarz-gelbe Koalition ausgerechnet diese Mittel gnadenlos zusammen. Verstehe das, wer wolle!

Das ist unverständlich. Es ist eine falsche Politik. Eine solche Politik ist nicht nur kurzsichtig, sondern sie ist auch gefährlich.

Insgesamt sollen im kommenden Jahr 88 Millionen Euro weniger für Maßnahmen und Leistungen zur Sicherung von Frieden und Stabilität sowie für humanitäre Hilfsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Allein im Bereich der Krisenprävention sollen 30 Prozent diesen skandalösen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen, obgleich die Bundesregierung in ihrem Umsetzungsbericht zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention im Übrigen zu Recht von wachsenden Anforderungen an Krisenprävention und Konfliktbewältigung spricht.
Ziel ziviler Krisenprävention ist es, gewaltsame Auseinandersetzungen im Vorfeld zu verhindern. Weltweit haben wir sehr viele Krisenregionen, als Beispiel nenne ich den Sudan. Wir wissen nicht, ob es dort im Zuge des Referendums eventuell zu einem Bürgerkrieg kommt. Dort ist sofortiges Handeln notwendig. Dafür braucht man eine angemessene Finanzierung und Menschen, die in dieser Krisenregion tätig sind. Genau das Gegenteil aber wird angestrebt. Das ist nicht nur bedrückend, das schadet unserem Land und auch den Menschen im Sudan, die auf unsere Hilfe und unsere Unterstützung setzen.

Alle Maßnahmen haben nur Erfolg, wenn sie auf Dauer angelegt sind. Kontinuität, Verlässlichkeit und Planungssicherheit sind ganz entscheidend, weil sie eine wichtige Voraussetzung dafür sind, dass Vertrauen entsteht. Gerade deutsche Nichtregierungsorganisationen leisten seit Jahren eine ungeheuer wertvolle Arbeit, die nun massiv gefährdet ist. Wie mir Frau Pieper noch in der vergangenen Woche geantwortet hat, sind die deutschen Nichtregierungsorganisationen über die Kürzungspläne informiert. Ein Szenario, wie es nun weitergehen soll, wurde vom Auswärtigen Amt bisher jedoch nicht entwickelt worden. Als ich diese Antwort gelesen habe, habe ich mich gefragt, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen fühlen müssen, wenn sie so etwas lesen.

Welche Wertschätzung erleben sie eigentlich, wenn sie sich mit großem Engagement und manchmal sogar unter Einsatz ihres Lebens für Frieden und Menschenrecht engagieren? Der Sparbeitrag zum Haushalt ist im Übrigen vergleichsweise gering; aber die Signalwirkung ist verheerend.

Dass ausgerechnet Deutschland beim Aufbau demokratischer Strukturen, bei der gesellschaftlichen Wiedereingliederung von Kindersoldaten, bei der friedlichen Lösung des Darfur-Konfliktes, bei den Opfern von Streumunition, bei Minenopfern in Kolumbien oder bei der humanitären Hilfe kürzt, schadet dem Ansehen unseres Landes. Damit wird nicht nur ein hoffnungsvoller Ansatz zivilgesellschaftlichen Engagements zerstört, sondern auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik, und das ist wirklich nicht zu verantworten.

Ein ähnliches Bild bietet sich in der auswärtigen Kulturpolitik, die von Willy Brandt einst als dritte Säule der Außenpolitik bezeichnet wurde und unter Frank-Walter Steinmeier stark, sogar gewaltig ausgebaut wurde. Auch hier stehen die Signale auf Halt. Mein Kollege Brandner hat bereits darauf hingewiesen, dass in unserer globalisierten Welt Kultur- und Bildungsarbeit das Fundament einer erfolgreichen Außenpolitik sind. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Sie muss deshalb ein zentraler Bestandteil jeglicher außenpolitischer Strategie sein.

Allerdings ist das Interesse des Außenministers daran offenkundig nicht allzu groß. So werden allein die Zuwendungen an das Goethe-Institut um 8 Millionen Euro gekürzt. Die Verwaltungsausgaben werden darüber hinaus bis 2014 eingefroren. Damit wird die erfolgreiche Reform der Goethe-Institute, die seit 2005 flexibler und handlungsfähiger geworden sind, nachhaltig gefährdet.

Ein weiteres Beispiel kann ich jetzt nur noch nennen. Das ist Tarabya. Hier wird ein Kulturgut, infrage gestellt und aufgegeben, das eine ganz wichtige Rolle für die deutsch-türkische Zusammenarbeit spielt.

Ich fürchte, dass die Bundesregierung mit einer solchen Amtsführung Gefahr läuft, als verlässlicher Partner nicht mehr ernst genommen zu werden.

Vielen Dank.