Zur heutigen Abstimmung über den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt hat die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn die folgende persönliche Erklärung abgegeben:

„Ich halte den permanenten Stabilitätsmechanismus für notwendig, um eine erneute Verschärfung der Eurokrise und einen Zusammenbruch der Staatshaushalte weiterer Mitgliedsländer der Eurozone zu verhindern. Kernanliegen muss es derzeit sein, die Europäische Währungsunion vor den Auswirkungen unverantwortlicher Spekulationen zu schützen. Das geht nur durch ein Zeichen der Solidarität der einzelnen Mitgliedsländer der Eurozone untereinander gegenüber den Akteuren des Finanzmarktes.

Eine weitere Destabilisierung des Euro könnte nicht nur zum Zerfall der gemeinsamen Währung führen, sondern würde auch die Existenz der Europäischen Union als solche gefährden. Eine derartige Entwicklung darf niemand riskieren, dem die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Europäischen Union und seiner Bürgerinnen und Bürger am Herzen liegt.

Allerdings impliziert die Übertragung von elementaren Rechten auf nicht demokratisch legitimierte Institutionen (Gouverneursrat, Direktorium), wie sie zur Zeit vorgesehen sind, grundlegende verfassungsrechtliche Probleme. Es gilt, einen Ausgleich zwischen der Handlungsfähigkeit entsprechender Institutionen und ausreichender parlamentarischer Kontrolle herzustellen. Meines Erachtens ist deshalb vor allem bei der weiteren Ausgestaltung der Institutionen des permanenten Stabilitätsmechanismus darauf zu achten, dass Hoheitsrechte des Bundestages gewahrt und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestaltet werden. Es ist daher zwingend geboten, bei der Implementierung des Vertrages dafür zu sorgen, dass die demokratische Legitimation stets die Richtschnur bildet.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Europa sollten jenseits der aktuellen Rettungsmaßnahmen ein Bild eines demokratischeren und handlungsfähigeren Europas entwickeln. Das setzt eine engere Zusammenarbeit voraus, die letztlich eine Grundlage dafür bildet, politische Mehrheiten zu schaffen, auch in Deutschland, um das nachzuarbeiten, was in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen ist: nämlich eine wirkliche politische Union, eine wirkliche Wirtschafts- und Sozialunion aufzubauen.

„Die EU neu zu begründen“, das ist notwendig, wenn die politische Union geschaffen werden soll. Derartige europäische Pläne werden letztlich auch die Übertragung nationaler Souveränitätsrechte an dann geschaffene demokratisch legitimierte, europäische Institutionen beinhalten müssen. Dieses wird die Weiterentwicklung des deutschen Grundgesetzes mit einschließen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben in ihrer Weisheit bereits durch Artikel 146 des Grundgesetzes diesen Weg beschrieben, indem sie eine Öffnungsklausel aufgenommen haben, die die Weiterentwicklung der Verfassung durch eine Entscheidung des deutschen Volkes vorsieht. Eine solche Entscheidung muss sorgfältig vorbereitet werden. Weite Teile des Grundgesetzes können beibehalten werden. Es gilt, ein neues Verhältnis von Europa, der Bundesrepublik, der Bundesländer und der Kommunen zu entwickeln. Die Zeit sollte nicht fahrlässig verschwendet werden. Die Zeit ist reif für einen solchen Prozess.“