In der heutigen Debatte des Deutschen Bundestages über deutsche Rüstungsexporte hat sich die hannoversche Bundestagsabgeordnete Edelgard Bulmahn vehement für mehr Kontrolle und eine verstärkte Transparenz ausgesprochen. Vor allem die Rolle des Parlamentes müsse aus Sicht der Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion im Unterausschuss Zivile Krisenprävention gestärkt werden. Gleichzeitig dürfe der Umbau der Bundeswehr nicht zu einer Zunahme von Rüstungsexporten aus Deutschland führen.

Die Rede im Wortlaut:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen!

Es hat erhebliche Fortschritte bei der Einschränkung von Rüstungsexporten und deren Kontrolle gegeben. Trotzdem zeigen die Zahlen zu den aktuellen Rüstungsexporten, die das renommierte schwedische Forschungsinstitut SIPRI diese Woche vorgelegt hat, dass zwischen 2006 und 2010 das Volumen des weltweiten Handels mit Waffen und anderen Rüstungsgütern um 24 Prozent gestiegen ist. Deutschland liegt dabei mit einem Anteil von 8 Prozent am Weltrüstungshandel im Jahr 2009 auf dem dritten Platz der globalen Rüstungsexportstatistik. Das ist Anlass, darüber zu diskutieren; das sage ich ausdrücklich.

Aber, dies sage ich an die Adresse der Linken –, Sie machen es sich mit Ihrem Antrag wirklich zu einfach. Anstatt Vorschläge zu machen, wie wir die Rüstungsexporte sachgerecht einschränken und wie wir die Kontrolle verschärfen können, sagen Sie einfach: Wir exportieren nicht. Bei aller Liebe: Das ist ein naiver Vorschlag. Ich kann deshalb nur wiederholen, dass es sich dabei um einen Show-Antrag handelt. Es würde sich lohnen, in der Sache miteinander zu streiten, wie man dieses Regime noch verbessern kann. Ich sage ausdrücklich, dass uns diese Zahlen alarmieren müssen. Sie sind auch Anlass zum Handeln.

Wir wissen, dass wir ein Kontrollregime haben. Aber wir wissen auch, dass wir dieses Kontrollregime noch verbessern und teilweise verändern müssen. Denn gerade Deutschland hat einen zu hohen Anteil am weltweiten Handel mit kleinen und leichten Waffen. Wir erleben immer wieder, zu welch fatalen Konsequenzen das führen kann.

Rot-Grün hat im Jahr 2000 mit den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ den Rüstungs- und Waffenexport erheblich restriktiver geregelt. Es war richtig, dass wir das getan haben. Wir haben damals drei wichtige Entscheidungskriterien festgelegt, die seitdem bei Rüstungsexporten geprüft und berücksichtigt werden müssen. Zunächst ist das wichtige Kriterium der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland zu nennen. Wenn Menschenrechte verletzt werden, dürfen keine Waffen in dieses Land exportiert werden. Weiterhin muss die Frage, ob ein Export im Empfängerland eine nachhaltige Entwicklung be- oder verhindert – das ist eine Forderung, die von Entwicklungspolitikern jahrelang vorgetragen wurde –, geprüft und berücksichtigt werden. Abschließend muss die Frage geprüft werden: Dient die Lieferung dem Ziel des Friedenserhalts und der Konfliktvermeidung?

Die Verantwortung der jeweiligen Bundesregierung mit Blick auf die Entscheidung, ob Rüstungsexporte durchgeführt werden dürfen oder nicht, ist durch diese klaren Vorgaben deutlich gewachsen, auch wenn wir durchaus selbstkritisch feststellen müssen, dass es schwierig ist, die Einhaltung dieser Grundsätze zu überprüfen. Ich plädiere ganz ausdrücklich dafür, nicht von diesen Kriterien abzurücken, sondern ich halte sie für wichtig und notwendig. Wir müssen aber überlegen, wie wir diese Kriterien weiterentwickeln und präzisieren können. Vor allem müssen wir überlegen – das ist ein wichtiger Punkt –, wie wir mehr Transparenz bei der Frage herstellen können, welche Rüstungsexporte in welchem Umfang stattfinden.

In Richtung der Koalition sage ich: Sie haben in Ihrem schwarz-gelben Koalitionsvertrag beschrieben, dass es eine verantwortungsbewusste Genehmigungspolitik geben solle. Dagegen ist auf den ersten Blick nichts einzuwenden. Natürlich muss es sich um eine verantwortungsbewusste Politik handeln. Aber ich sage ausdrücklich: In der Genehmigungspraxis kann „Verantwortung“ weniger bedeuten als „restriktiv“. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den es sich lohnt, miteinander zu erörtern. Denn ich hoffe, dass es eine breite Übereinstimmung in diesem Hause gibt, dass wir eine restriktive Rüstungspolitik wollen.

Im Augenblick erleben wir schreckliches Leid und schreckliche Ereignisse in Libyen. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, an den geschriebenen Grundsätzen festzuhalten und auch weiterhin eine restriktive Rüstungsexportpolitik durchzuführen. Ich sage ausdrücklich, dass es mich mit großer Sorge erfüllt, dass das Volumen der Hermesbürgschaften für deutsche Rüstungsgeschäfte erheblich angestiegen ist. Die Bürgschaften haben sich von 21 Millionen Euro im Jahre 2008 auf rund 1,92 Milliarden Euro im Jahre 2009 erhöht. Wenn der Zugang zu diesen Ausfallbürgschaften durch die veränderten Formulierungen sogar noch erleichtert werden soll, wird sich diese Subventionierung von Rüstungsgeschäften durch den Steuerzahler noch weiter verstärken. Restriktionen bei der Exportkontrolle sind nicht immer einfach umzusetzen. Das, was die Bundesregierung an Erleichterungen angedacht hat, würde eine strengere Rüstungsexportkontrolle verhindern. Das halten wir für unverantwortlich. Deshalb darf das nicht geschehen.

Ich will einen weiteren Aspekt ansprechen: Der fortschreitende Umbau der Bundeswehr und die damit verbundene Umrüstung machen eine genaue Begleitung und Beobachtung notwendig. Keinesfalls darf der Umbau der Bundeswehr zu erhöhten Rüstungsexporten führen. Wir alle wissen, dass nach der deutschen Einheit die Auflösung der Volksarmee zu erhöhten Rüstungsexporten geführt hat. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass das nicht ein zweites Mal geschieht.

Die Begrenzung und die Kontrolle von Rüstungsexporten ist ein unmittelbarer Beitrag zur Sicherung des Friedens und zur Prävention von gewalttätigen Konflikten. Deshalb: Die Transparenz über Rüstungsexporte muss verbessert werden. In dem jüngsten Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, GKKE, ist das sehr gut formuliert worden. Dort heißt es: Der jüngste Rüstungsexportbericht der Bundesregierung liefert zwar wort- und zahlenreich viele Informationen, doch jenseits dessen, dass er wieder nicht zeitnah erschienen ist, wecken anhaltende Rechenfehler und Unstimmigkeiten der Zahlen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. – Diese Beschreibung trifft leider zu. Deshalb muss das verändert werden. Wir brauchen eine kohärente Datenerhebungsbasis und -methode, damit wir als Parlament und damit als politische Entscheider wirklich sichere Unterlagen und verlässliche Zahlen haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der hier erreicht werden muss.

Es gibt einen weiteren Punkt, der verändert werden muss. Bis heute wird der Deutsche Bundestag immer erst nachträglich über die durchgeführten Rüstungsexporte informiert, leider oft erst sehr lange nachdem sie durchgeführt worden sind. Das heißt, wir brauchen nicht nur die Pflicht zur zeitnahen Berichterstattung, sondern wir müssen auch erreichen, dass, so wie auch in anderen europäischen Parlamenten, der Deutsche Bundestag parallel zu den Entscheidungen informiert wird und auch die Möglichkeit der Einflussnahme hat. Ich halte das für einen ganz entscheidenden Punkt, um tatsächlich Transparenz herzustellen und das politische Ziel der effektiven Rüstungsexportkontrolle und das Ziel restriktiver Rüstungsexporte tatsächlich zu realisieren. Die Vorschläge, die die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung gemacht hat, gehen genau in diese Richtung. Ich will sie ausdrücklich unterstützen. Ich begrüße sie sehr und hoffe, dass wir hier vielleicht doch zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen.

Ich will einen letzten Punkt ganz kurz ansprechen. Er bezieht sich auf die internationale Kontrolle des Waffenhandels, den Arms Trade Treaty. Hier kommt es darauf an, dass wir eine möglichst große Zahl von Staaten auf grundlegende Prinzipien zur Begrenzung und Kontrolle von Rüstungstransfers verpflichten und damit völkerrechtlich bindende Richtlinien für alle Rüstungsexporte entwickeln. Es lohnt sich, darüber zu diskutieren, weil es darum geht, Sicherheit herzustellen und Menschenleben zu schützen.

Vielen Dank."